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Lilja 4-Ever
Schweden/Dänemark 2002, Laufzeit: 109 Min., FSK 12
Regie: Lukas Moodysson
Darsteller: Oksana Akinshina, Artiom Bogucharskij, Elina Benenson, Lilija Schinkarjowa, Pawel Ponomarjow, Tomas Neumann, Ljubow Agapowa, Tönu Kark, Anastasia Bedredinowa, Nikolai Bentsler

Das Elend hat sich ausgebreitet. Von der eigenen Mutter und der Gesellschaft verlassen, bleibt der 16jährigen Lilja nur noch die Prostitution. Letzter Ausweg: die illegale Einreise in den Goldenen Westen ? raus aus der Ausweglosigkeit [sic!]. Eine brutale Wahrheit ? über postsowjetische Grenzen hinaus Die Augen weit aufgerissen. Das Gesicht zu einer von Angst verzerrten Fratze entstellt. Panik. Das sechzehnjährige Mädchen rennt um ihr Leben, irrt durch menschenleere Plattenbausiedlungen, hetzt durch karges Gestrüpp, über verlassene Wege, Betonwüsten, rauf auf eine Autobahnbrücke, rauf bis zum höchsten Punkt. Ausweglos. Und trotzdem suggeriert die Eröffnungssequenz ein vorweggenommenes Ende, das Mut macht ? nicht zuletzt durch die aggressiven Klänge von Rammstein, die der eigenen Wut Vorschub leisten, die einen zwangsläufig beim Thema Kinderprostitution und Menschenhandel befällt. Menschenverachtung führt zu Menschenverachtung. Unweigerlich: Mach sie platt! Lilja 4-ever! Dabei birgt die Ausgangssituation keinerlei Hoffnung: Der kommunistische Traum ist geplatzt, durch den amerikanischen ersetzt. Die Bürger der einstigen Sowjetunion vegetieren auf ihren Abbruchhalden nur noch vor sich hin, zurückgeworfen auf sich selbst, betend, dass wenigstens einem selbst ein günstiges Schicksal beschieden sei. Hemmungslos nimmt dementsprechend Lijas Mutter das Glück für sich allein in Anspruch, flüchtet mit ihrem neuen Lover in die Staaten. Ohne Skrupel schiebt Liljas Tante den Teenager ins heruntergekommenste Loch der Siedlung ab. Auch vom Sozialamt ist nichts zu erwarten. Die Verwahrlosung hockt auf der Türschwelle. Klebstoff und billiger Fusel warten. Der Weg zur Prostitution: ein kurzer. Die ganze Palette an Erniedrigungen bricht über Lilja hinein. Feiste Stecher bemächtigen sich ihres Körpers, ihre beste Freundin verrät sie ohne Wimperzucken und zur Krönung wird sie von ihren Leidensgenossen vergewaltigt, was auch der letzte Lichtblick in ihrem Leben, der elfjährige Freund Volodja, nicht verhindern kann. Gnadenlose Tristesse bestimmt die Szenerie, erzeugt eine konkrete Nähe zum jungen russischen Kino, wo die verzweifelte Identitätssuche in einem vom ökonomischen und seelischen Ausverkauf zerrütteten Land die Inhalte bestimmt. Schon allein die Besetzung der Lilja mit Oksana Akinsjina, die in ähnlich verlassener Rolle bereits in Sergej Bodrow jr. "Ungleiche Schwestern" brillierte, stellt diesen Bezug her. Doch in seinen intermedialen Querverweisen schlägt der schwedische Regisseur Lukas Moodysson nicht allein auf die postsowjetischen Zustände ein, sondern legt mit den an Wim Wenders »Billion Dollar Hotel´ erinnernden Engelszenen auf dem Hochhausdach gleichzeitig den Finger in die Wunde unserer Hemisphäre. Durfte Gott unter kommunistischem Regime wenigstens noch seine opiate Wirkung entfalten, so ist er unter kapitalistischem Diktat schlicht und ergreifend durch den schnöden Mammon ersetzt worden ? jener monetären Exportware, die einzig und allein die Befriedigung des Einzelnen zum Ziel hat. Dementsprechend macht Moodysson auch vor seiner Heimat nicht halt, gehört sie doch zu den ersten Abnehmern nachkommunistischen Frischfleischs. Zwangsläufig muss Lilja den Versprechungen dieser besseren weil reicheren Welt erliegen. In naiver Sehnsucht springt sie auf den Zug gen Schweden auf, den ihr der weltgewandte Andrej bietet, und lässt wie ihre Mutter den einzigen Menschen, der ihr wirklich was bedeutet, ihren Schutzengel Volodja, im Elend zurück. In der irrigen Hoffnung, wenigstens dort ein menschenwürdigeres Leben zu finden. Genauso irrig wie die Hoffnung, die die Eröffnungssequenz suggeriert. Liljas Schicksal ist und bleibt überall das gleiche. Das ist die Wahrheit und Moodysson bringt sie brutal auf den Punkt, indem er den alltäglichen Einzelschicksalen ein Mahnmal setzt: Lilja 4-Ever! Rest In Peace.

(Lars Albat)

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