Dass die Studierendenschaft links gerichtet sei, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Die stilisierten 60er und 70er sind längst vorbei, der Bologna-Prozess hat die Hochschullandschaft tief durchdrungen und ist einer der Ursachen dafür, dass Studenten und Studentinnen sich ungleich seltener als früher für kulturelle und politische Belange interessieren. Kultur- und Polit-Arbeit an Universitäten wird allenfalls für einen netten Eintrag im Lebenslauf missbraucht, um sich auf dem harten Arbeitsmarkt von heute positiv abzusetzen. Für Idealismus ist kein Raum. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. 2009 schien es, als ob sich die Studierendenschaft geschlossen im Rahmen des Bildungsstreiks gegen Studiengebühren, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik organisieren würde. Es wurde demonstriert und besetzt. Doch das Gros der Studierendenschaft hatte lediglich die Abschaffung der Studiengebühren im Sinn, nicht einen weiterreichenden Protest. Als sich einige Gruppierungen in Kapitalismuskritik übten oder gegenderte Sprache und CO2-armes Essen in der Mensa forderten, sprangen die meisten ab. So zum Beispiel an der Ruhr-Universität in Bochum geschehen. Zu lebensfern erschien vielen sowohl die sogenannten „Luxusprobleme“ wie das Gender-Gap oder -sternchen als auch die ideologische Kapitalismuskritik. Hat sich die Linke von der Studierendenschaft entfernt oder die Studierendenschaft von der Linken, ist die Frage. Doch in Köln ergibt sich die Möglichkeit einer Annäherung.
Der Studentenverband „Die Linke.SDS“ organisiert vom 30.11. bis 02.12. in Köln einen groß angelegten Kongress mit dem Titel „Kapitalismus vs. Demokratie“. Ältere Semester mögen sich bei dem Namen des Verbandes an den bis 1970 existierenden SDS erinnert fühlen. Diese Konnotation ist intendiert, dennoch besteht zwischen den beiden Organisationen kein Zusammenhang. „Die Linke.SDS“ ist vielmehr der studentische Arm der Partei „Die Linke“. Auf dem Kongress soll es um brennende Themen gehen. Wohin steuert die EU? Wohin die Arabische Welt? Wie kann dem Treiben der Spekulanten entgegengewirkt werden? Auf welche Weise muss der Staat handeln? Wie kann „Die Linke“ handeln? Trotz des ökonomischen Schwerpunktes klammern die knapp 90 Referenten sozialpolitische Themen nicht aus. Die Politspitze der Linken lässt sich während dieser drei Tage nicht lumpen und so bestreiten Sarah Wagenknecht, Katja Kipping und Gregor Gysi sowie der der Linkspartei nahestehende Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge vier der insgesamt 43 Diskussionsrunden. Provokanter Besuch kommt mit Maxim, Mitglied der satirischen Hip-Hop-Formation K.I.Z., der zusammen mit der Berliner Rapperin Sookee über Frauenbilder im Hip-Hop referiert. Der „Sexist gegen Rechts“ und die „Quing of Berlin“ garantieren, dass ihr Thema nicht zu einer Ansammlung von Plattitüden in Polit-Talkshow-Manier verkommt. Zu hoffen ist, dass auch die anderen überaus relevanten Themen nicht in Dogmatismus und Wortklauberei ersticken, wie es leider häufig in letzter Zeit bei den Linken zu beobachten war. Zu hoffen ist ebenfalls, dass die Diskussion auch für eine nicht „typisch linke“ Zuhörerschaft vermittelbar bleibt, ohne dabei die Inhalte einzuschränken.
Kongress "Kapitalismus vs Demokratie" | Universität zu Köln | 30.11.-02.12.
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