Oh when I lock back now
That was seemes to last forever
And if I had the choice
Ya - I'd always wanna be there
Those were the best days of my life. (B.Adams)
Mein netter Lateinlehrer wurde versetzt, in ein neu gebautes Bochumer Schulzentrum. Der neue war ein Psychopath alter Schule, mir ging es daraufhin an den Hippi-Kragen. Viele denken über ihre Pädagogen ebenso, doch meiner wurde tatsächlich damals in eine Klinik eingeliefert – natürlich erst nach meinem Schulwechsel. Viele meiner Kumpels gingen damals zwangsweise mit in das neue Zentrum. Auswahlkriterium: Alle die in der Sexta mit Englisch angefangen hatten. Die neue Anstalt war gut gesichert, sie hatte sogar eine Panzersperre. So nannten einige das Betonensemble „Drei Schulen unter einem Dach“ von Otto Herbert Hajek (1927-2005) auf dem Pausenhof. Ein Dreieck als Dach, drei freie eckige Seitenteile als Symbol für Gymnasium, Real- und Hauptschule. Für die Kunst am Bau holte man sich den in der Tschechoslowakei geborenen documenta-Teilnehmer, einen Bildhauer des Informellen, ziemliche Avantgarde damals. Hajek arbeitete mit Beton, das war preiswert und witterungsbeständig und man konnte ihn anmalen. Generationen von Schülern nutzten die Plastik gern als Kletter- und Rutschgerüst, sehr zum Leidwesen des Lehrers, der Aufsicht führen musste.
Heute wohne ich gleich nebenan, meine Kinder haben die alte Avantgarde auch zum Klettern genutzt, später als Treffpunkt während ihrer Schul-Pausen. Diese Beton-Kunst hat mich seit 40 Jahren begleitet. Nun ist sie verschwunden. Die Panzer haben freien Zugang in mein Viertel, zumindest aus Westen. In einer nebeligen Morgenaktion kam der Abrissbagger, hackte die einstige Avantgarde in Stücke. Die Stadt hüllt sich in Schweigen, faselt von Zeitdruck und enormen Kosten für die Versetzung. Strafrechtlich relevantes Urheberrecht? Interessiert doch niemanden. Das trifft den Zeitgeist im Ruhrgebiet. Schwere KunstKost wird nicht mehr verlangt, wohl auch nicht mehr gewürdigt, außer es ließe sich damit Profit erzielen. Den Bürgern wird’s recht sein. Bochum hat noch so ein schwer verdauliches Outdoor-Ensemble. Das Terminal von Serra am Bahnhof. Das widersteht der Städteplanung wohl nur wegen seines enormen Wertes, sonst wäre der Abrisspanzer schon unterwegs und würde, unter dem Jubel aller, die dumm wie Brot sind, malmen. Und die Stadt hat noch viel Kunst im Stadtraum stehen, die kein Kataster erfasst. Vielleicht wartet man ja auch darauf, dass die Bürger wie in Essen selbst Hand an diese Schandflecke anlegen. Das Haus aus Papier auf Zollverein hat ja auch zum Zündeln quasi eingeladen. Und: Diese recycelbare Versammlungshalle aus 550 Altpapierrollen, die im Rahmen der Kulturhauptstadt von einem Oberhausener Planungsbüro gebaut war, musste ja auch nicht unbedingt bis Ende des Jahres stehen bleiben. Aber man höre und staune: Das "Haus auf Zeit" stand auf einem Betonfundament. Hier könnte das Bochumer Kulturamt doch Amtshilfe leisten, mit performativer Betonentsorgung kennt man sich ja gut aus.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23
Irrweg deutscher Migrationspolitik
„Blackbox Abschiebung“ in Düsseldorf – Spezial 09/23
„Es hat mich umgehauen, so etwas Exotisches im Ruhrgebiet zu sehen“
Fotograf Henning Christoph über Erfahrungen, die seine Arbeit geprägt haben – Über Tage 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Erinnern heißt Widerstand
Sommerfest des Fritz Bauer Forums in Bochum – spezial 08/23
„Man könnte es Stadtpsychologie nennen“
Alexander Estis ist für sechs Monate Stadtschreiber von Dortmund – Über Tage 08/23
Metaphern, Mechaniken, Meisterschaften
Offener Tag im Flipperverein Freeplay.ruhr in Herten – Spezial 07/23
Spaß an der Transformation
Gutes Klima Festival in Essen – Festival 07/23
Ich glaub‘, mein Sein pfeift
Vortrag über Mensch-Tier-Beziehung in Dortmund – Spezial 06/23
Abschottung gegen Schutzsuchende
Vortrag über die Fluchtsituation auf der Balkanroute in Duisburg – Spezial 06/23
„Für Start-ups sind die Chancen in Essen größer als in Berlin“
Unternehmer Reinhard Wiesemann über wirtschaftliche Chancen im Ruhrgebiet – Über Tage 06/23
Schwarze deutsche Feministinnen
Tiffany Florvil liest in Dortmund – Spezial 05/23
Wie Gefängnisse Kriminalität fördern
Rechtsanwalt Thomas Galli sprach in Bochum über Strafvollzug
„Radikale Therapien für die Innenstädte“
Christa Reicher über die mögliche Zukunft des Ruhrgebiets – Über Tage 05/23