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Foto: Irma Flesch

Einstürzende Erinnerung

29. April 2011

Wie im Ruhrgebiet mit Kunst umgegangen wird - Magenbitter 05/11

Oh when I lock back now
That was seemes to last forever
And if I had the choice
Ya - I'd always wanna be there
Those were the best days of my life.
(B.Adams)

Mein netter Lateinlehrer wurde versetzt, in ein neu gebautes Bochumer Schulzentrum. Der neue war ein Psychopath alter Schule, mir ging es daraufhin an den Hippi-Kragen. Viele denken über ihre Pädagogen ebenso, doch meiner wurde tatsächlich damals in eine Klinik eingeliefert – natürlich erst nach meinem Schulwechsel. Viele meiner Kumpels gingen damals zwangsweise mit in das neue Zentrum. Auswahlkriterium: Alle die in der Sexta mit Englisch angefangen hatten. Die neue Anstalt war gut gesichert, sie hatte sogar eine Panzersperre. So nannten einige das Betonensemble „Drei Schulen unter einem Dach“ von Otto Herbert Hajek (1927-2005) auf dem Pausenhof. Ein Dreieck als Dach, drei freie eckige Seitenteile als Symbol für Gymnasium, Real- und Hauptschule. Für die Kunst am Bau holte man sich den in der Tschechoslowakei geborenen documenta-Teilnehmer, einen Bildhauer des Informellen, ziemliche Avantgarde damals. Hajek arbeitete mit Beton, das war preiswert und witterungsbeständig und man konnte ihn anmalen. Generationen von Schülern nutzten die Plastik gern als Kletter- und Rutschgerüst, sehr zum Leidwesen des Lehrers, der Aufsicht führen musste.

Heute wohne ich gleich nebenan, meine Kinder haben die alte Avantgarde auch zum Klettern genutzt, später als Treffpunkt während ihrer Schul-Pausen. Diese Beton-Kunst hat mich seit 40 Jahren begleitet. Nun ist sie verschwunden. Die Panzer haben freien Zugang in mein Viertel, zumindest aus Westen. In einer nebeligen Morgenaktion kam der Abrissbagger, hackte die einstige Avantgarde in Stücke. Die Stadt hüllt sich in Schweigen, faselt von Zeitdruck und enormen Kosten für die Versetzung. Strafrechtlich relevantes Urheberrecht? Interessiert doch niemanden. Das trifft den Zeitgeist im Ruhrgebiet. Schwere KunstKost wird nicht mehr verlangt, wohl auch nicht mehr gewürdigt, außer es ließe sich damit Profit erzielen. Den Bürgern wird’s recht sein. Bochum hat noch so ein schwer verdauliches Outdoor-Ensemble. Das Terminal von Serra am Bahnhof. Das widersteht der Städteplanung wohl nur wegen seines enormen Wertes, sonst wäre der Abrisspanzer schon unterwegs und würde, unter dem Jubel aller, die dumm wie Brot sind, malmen. Und die Stadt hat noch viel Kunst im Stadtraum stehen, die kein Kataster erfasst. Vielleicht wartet man ja auch darauf, dass die Bürger wie in Essen selbst Hand an diese Schandflecke anlegen. Das Haus aus Papier auf Zollverein hat ja auch zum Zündeln quasi eingeladen. Und: Diese recycelbare Versammlungshalle aus 550 Altpapierrollen, die im Rahmen der Kulturhauptstadt von einem Oberhausener Planungsbüro gebaut war, musste ja auch nicht unbedingt bis Ende des Jahres stehen bleiben. Aber man höre und staune: Das "Haus auf Zeit" stand auf einem Betonfundament. Hier könnte das Bochumer Kulturamt doch Amtshilfe leisten, mit performativer Betonentsorgung kennt man sich ja gut aus.

Peter Ortmann

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