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Foto: Irma Flesch

Ein Prosit auf den Krieg

19. Dezember 2013

Erinnerungskultur voller Senfgas – Magenbitter 01/14

Ein frohes neues Jahr. Entspannung am Abend vor dem Flachbildschirm, erquickend und labernd wie immer. Die neuesten Waffengattungen hier, die letzte Informationslücke über den Führer dort. Wie war sein letzter Stuhlgang? Ein ehemaliger SS-Stabsoffizier weiß eben alles. Drohnen für den Frieden und Miniatur-Schnellfeuerwaffen für den US-Kindergartenmarkt. Deutschland ist ein Militaristenland geblieben, wenn auch die beliebte Heftreihe „Der Landser“ gerade eingestellt wird. Die Leser sterben eben einfach weg. Erinnerungskultur nannte man das Jahrzehnte lang, bei mir erinnerte sich sogar der Polizeipräsident nach 23 Jahren an meine Signalpistole fürs Segeln. Nachweis über einen Waffenschrank, zack, zack. Trotz Altersdemenz und geriatrischer Frühfolgen – an Waffen und Kriege erinnern wir uns immer gern, egal wie lang die Zeiträume auch sind.

100 Jahre sind für eine Eintagsfliege fast die Unendlichkeit. Auch für Menschen übersteigt die Hektode meist die Lebenszeit. Dennoch erinnern wir uns oft an wichtige Ereignisse, die genau diese Zeitspanne zurückliegen. 2014 dabei ist ein ganz besonderes Jahr – vor einem Jahrhundert begann der erbärmliche Erste Weltkrieg, zerstörte den noch holperigen Weg in die Moderne und dazu eine ganze Generation junger Männer, die von steifen Kragen und goldenen Monokeln in die verschlammten Gräben geschickt wurden und dazu noch Freudengesänge anstimmten. Und dies alles ist es wert ein ganzes Jahr lang Aufhänger für Ausstellungen, Diskurse, Theater, Kongresse und weiß der Himmel was noch – an Guido Knopp will ich da gar nicht erst denken, mit seinen Geheimnissen des Zweiten Weltkriegs und den Geheimnissen des „Dritten Reichs“, den Geheimnissen um Hitlers Frauen und den Geheimnissen um seine Unterwäsche. Den ersten Weltkrieg „Weltenbrand“ haben seine Geschichtsreporter auch schon aufgearbeitet – in Farbe!

Obwohl es damals so etwas an der Front noch gar nicht gab, doch der Meister der kriegerischen Erinnerungskultur dachte wohl das Senfgas müsste eben schön gelb sein, wohl damit das Röcheln richtig rüberkommt. Der erste Einsatz von Senfgas erfolgte am 12. Juli 1917 durch deutsche Truppen, taktisches Ziel war, die deutsche Ausgangslage für den erwarteten britischen Angriff bei Ypern zu verbessern. Ja wir sind schon ein pfiffiges kriegerisches Völkchen. Warum aber ausgerechnet diese Kriege, die ja bis heute nicht nur nicht aufgehört, sondern auch immer menschenverachtender geworden sind, immer und immer wieder zur Unterhaltung in die Wohnzimmer gepumpt werden, ist mir schleierhaft. Erinnerungskultur zur Verhinderung solcher Auseinandersetzungen? Dazu ist unsere Verstrickung in alle Kriege, die momentan stattfinden zu groß.

Und 2014 hat wesentlich mehr zu bieten. Neben den Megaveranstaltungen Fußball-WM in Brasilien und Kommunalwahl in NRW wird im Sommer die Sonde Rosetta den kleinen Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko erreichen und dort versuchen den 100 kg schweren Lander Philae abzusetzen. Der soll dann Experimente starten über die Beschaffenheit des Kometen. Ach das wussten Sie nicht? Komisch. Ich geh´ jetzt mal meinen Waffenschrank fotografieren.

PETER ORTMANN

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