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„Ein funktionierendes Konzept für diese Region“

30. August 2018

Museumsdirektorin Dr. Christine Vogt über „Die Geste“ und die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen – Sammlung 09/18

Zum 20-jährigen Bestehen heißt die neue Ausstellung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen „Die Geste“. „Und es gibt natürlich ein großes Museums-Fest“, sagt die Direktorin Dr. Christine Vogt.

trailer: Frau Dr. Vogt, 20 Jahre Ludwig Galerie in Oberhausen: Der Porzellanhochzeitstag riecht eigentlich nach einer Keramikausstellung.
Christine Vogt: (lacht) Es gibt ja durchaus Porzellan in der Sammlung Ludwig und damit auch in unserer Gesten-Ausstellung. Da wird beispielsweise Franz Anton Bustellis „Der stürmische Liebhaber“ zu sehen sein, um mal eins der Prachtobjekte zu nennen. Das ist Porzellan mit großen, expressiven, leidenschaftlichen Gesten. Porzellan als Schwerpunkt der Sammlung Peter und Irene Ludwig ist aber eher in Bamberg untergebracht.

In einer Ausstellung über Gesten fehlt „Merkels Raute“ nicht?
Frau Merkel ist in der Ausstellung vertreten, aber nicht mit der Raute. Diese Raute, die wir heute zumindest in Deutschland „Merkelraute“ nennen, stammt von einem Altar des Meisters des Sinzinger Kalvarienberges aus dem 15.Jahrhundert, wo wir nicht mal den Namen kennen, und darauf steht der Heilige Johannes, der genau diese Handhaltung macht. Es ist natürlich spannend zu sehen, dass es alte Gesten gibt, die auf einmal eine neue Bedeutung bekommen.

Dr. Christine Vogt
Foto: Axel Scherer
Zur Person:
Dr. Christine Vogt ist seit 2008 Leiterin der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen. Sie studierte in Aachen Kunstgeschichte, Geschichte, Baugeschichte und Politische Wissenschaft. Nach ihrer Promotion wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Suermondt-Ludwig-Museum Aachen.

Ist die Geste in der Ausstellung immer nur als Verkörperung, als Teil eines Bildes zu sehen?
Wir deklinieren in der Ausstellung durch, was es überhaupt für unterschiedliche Gesten gibt. Es ist auch das Informel vertreten, gestische Nicht-Figurative Malerei, wo auch die große Geste des Pinselschwungs ganz zentral ist.

Kommen wir zur Historie des Hauses. Die Umwidmung zur Ludwig Galerie vor 20 Jahren, war das eine Geste des guten Willens oder der Rettungsanker der Städtischen Galerie?
Ich würde sagen weder noch. Es war die weitsichtige Entwicklung eines neuen Konzeptes im Zuge des Centro-Baus. Die damals städtische Galerie lag ja in der Nähe zum Centro, und die Stadtoberen haben sich Gedanken um dieses ganze Gebiet gemacht. Da haben sie Peter und Irene Ludwig gefragt, ob sie sich ein weiteres Engagement vorstellen können, und das haben sie ja dann auch ganz massiv getan. Ich bin ich allen Beteiligten von damals sehr dankbar. Es ist vor 20 Jahren ein Konzept aufgestellt worden, nach welchem wir in den Grundsätzen immer noch arbeiten. Also wirklich etwas Weitsichtiges, Funktionierendes für diesen Standort und für diese Region.

Denke ich an die Ludwig Galerie fallen mir als erstes Fotografien und Comics ein.
„High and Low“ war damals das Schlagwort und das Prinzip ist gesetzt worden. Das kommt vielleicht auch aus der Oberhausener Tradition „Kunst für alle“, im Sinne Hilmar Hoffmann und den Kurzfilmtagen, die damals schon eine große Rolle spielten. Man hat sich überlegt, dass ein Haus in dieser Lage und mit dieser finanziellen Ausstattung ein anderes, neues Konzept fahren müsste. Das muss man ja auch mal sagen. So sind drei Standbeine entwickelt worden, die eigentliche Ludwig Galerie mit Beständen aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig, die sich da auch sehr engagiert haben. Dann unter dem Begriff „populäre Galerie“, da sind eben Comics, Karikatur, Plakate und auch Fotografie. Wir zeigen Fotografie, die aus einem angewandten Bereich kommt. Und dann die sogenannte Landmarken-Galerie, wo wir uns auf künstlerische Art mit dem Strukturwandel der Region beschäftigen. Das kommt aus der IBA-Geschichte, der großen Bauausstellung.

Was ist eigentlich aus der Kunst der DDR in Oberhausen geworden?
Die Kunst der DDR war mit dem Mauerfall obsolet, das interessiert keinen mehr. Das ist alles in die Depots gewandert. Und bei der Neukonzeption haben auch die Ludwigs – das war ja hier vorher das Ludwig Institut für Kunst der DDR – das erstmal ruhen lassen. Später haben wir die Kunst dann an andere Museen abgegeben, auch aus Platzgründen.

Es gibt einen Feiertag, für diese 20 Jahre, und kommunale Größen führen durch die Ausstellung. Das sind aber keine Kunsthistoriker, oder?
Nein, auf keinen Fall. Wir machen ein großes Museumsfest am Sonntag nach der Eröffnung. Da machen wir mal was Schönes, beleben den Innenhof und alle sollen kommen und sich das anschauen. Und der Kulturdezernent oder die Erste Vorsitzende unseres Freundeskreises führen dann kurz mal durch die Ausstellung. Es ist ja immer ganz erhellend mal nicht von Kunsthistorikern durch ein so allgemeines Thema geführt zu werden. Wir machen auch immer viel für Kinder, das kann ich allen ans Herz legen. Das ist sehr herzerfrischend und ich bin auch schon ganz gespannt, was die Oberhausener dann zu den Werken sagen werden.

Und was ist Ihre Lieblingsgeste?
Da habe ich mir noch gar keine Gedanken drum gemacht. Von den Bildern her finde ich den Heiligen Johannes, den wir schon angesprochen haben, sehr gut und sehr interessant. Ich finde auch unser Hauptmotiv, den Fingerzeig von Roy Lichtenstein toll, das „finger pointing“ kommt ja von diesem alten US-Anwerbeplakat und die Personifikation Amerikas „I want you for US army“. Das hat so eine Doppelbedeutung und eine große Direktheit. Ich persönlich finde aber auch expressive Gesten immer ganz toll, so den Barock mit dramatisch zum Himmel gestreckten Armen. Aber eine Lieblingsgeste habe ich direkt nicht.

„Die Geste. Kunst zwischen Jubel, Dank und Nachdenklichkeit“ | 23.9. bis 13.1.19 | Jubiläumsfest: So 23.9. 12–18 Uhr | Ludwig Galerie, Schloss Oberhausen | www.ludwiggalerie.de

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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