Eine Kausalität des Grauens. Eigentlich wollte ich der sogenannten freien Szene, die de facto im Ruhrgebiet überhaupt nicht existiert, die Qualitätsdiskussion unter die Nase reiben. Ursache war ein Interview im trailer mit Joscha Hendricksen über die Pläne und Ziele eines Netzwerk X, von dem ich noch nie gehört hatte. Also die Suchmaschine angeworfen und den Begriff eingegeben. Über einen Link „Nächstes Treffen“ kam ich zu einem „Offenen Brief“, der an die üblichen Verdächtigen gerichtet war, vom Kulturministerium (ein Parade-Wortparadoxon in sich) über den Regionalverband Ruhr zu den Kulturdezernenten der Städte. Hier tauchte auch ein kuratorisches Konzept auf, das „Urbane Künste Ruhr“ heißt, und das immer noch grässlich nach 2010 riecht – selbst 4711 wäre besser.
Also noch ein Ritt auf den Internettools, dann sehe ich das typische Regierungs-Pseudodesign der neuen Struktur. Eine Bildergalerie reizt, viele Nasen tauchen ja immer wieder auf in der Region. Dann ein Link zum – ich zitiere – „lesenswerten Nachbericht zum Symposium am 31. August und 1. September 2012 in Bochum“. Klick macht es: tja, und ich bin auf der Seite eines leicht in wirtschaftliche Schieflage geratenen Stromkonzerns in Essen, Überschrift: „Bildung – Kultur – Soziales“. Die schicken also jetzt Menschen los, die an solchen Symposien teilnehmen und dann darüber „lesenswert“ berichten? Erstaunlich. Scroll, scroll. scroll. Der unbekannte Schreiberling hat sogar eine eigene Seite im Netz. Holla. Klick. Gröhl. Er arbeitet bei der Stiftung Zollverein im RUHR.VISITORCENTER Essen als Assistent der Leitung. Parallel dazu ist er freiberuflich in den Bereichen Kulturmanagement, PR und Fundraising bei RWE Vertrieb AG und RWE Stiftung tätig. Macht es Klick im Kopf?
An diesem Punkt möchte ich schon nicht mehr weiter recherchieren. Magenbitter hilft da auch nicht mehr. Aber ich öffne die Personalien dieser vierten Säule der Kultur Ruhr GmbH. Und da sind sie – die abgehalfterten Protagonisten der Katastrophe Kulturhauptstadt, die sich ausgerechnet dort das Rüstzeug erarbeitet haben sollen, jetzt spartenübergreifende Kooperationsprojekte mit Salons voranzubringen. Das Grauen, es wird endlos weitergehen. Dennoch kopier’ich mal den Aufruf für die Netzwerke freier Künstler: „Das Thema Stadtlabore bildet am Donnerstag, 13. Dezember, den Auftakt der Urbane Künste Ruhr Salon. Untersucht und hinterfragt werden sollen die unterschiedlichen und teilweise kontroversen Ansätze, die Bedeutung und der Effekt von Laboren und anderen experimentellen Stadtprojekten für den urbanen Raum – weltweit und regional. Corinne Rose, Künstlerin und Kuratorin des BMWGuggenheimLab Berlin, und das Berliner Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK (Mobile Labore Urbane Künste Ruhr) gehen diesen Fragestellungen mit Katja Aßmann, Künstlerische Leiterin Urbane Künste Ruhr, und anderen Experten aus der Region nach.“
Nehmen Sie teil, diskutieren Sie mit und tauschen Sie sich aus, bei freiem Eintritt. Ach ja, noch ein Hinweis für die dahinsiechende freie Szene. Geld gibt es da sicher nicht und die üppigen Projektgelder von denen bleiben (und bisher habe ich mit meinen Unkenrufen nachweislich Recht behalten) garantiert nicht in der Region. Dafür seid ihr alle medial viel zu unwichtig.
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