Alle Jahre wieder, wenn die Winterreifen aus den Garagen gezerrt werden, beginnt die Kinderzeit an den Theatern. Weihnachtsmärchen lassen dort die Augen glänzen und die Kassen klingeln –aber die Zeiten ändern sich. Gebrüder Grimm sind heute Geisterjäger und Hexen hexen bereits virtuell auf jedem zweiten Kindergeburtstag. Dennoch halten viele Theater am Altbewährten fest. Das Dortmunder Kinder- und Jugendtheater (KJT) zeigt die Uraufführung einer Bearbeitung von Cinderella nach Charles Perrault. Die älteren werden wissen, dass dies dieselbe Figur wie das Grimmsche Aschenputtel ist, und auch die Story kennt man: Reicher Witwer heiratet hochmütige Frau mit zwei gut erzogenen Töchtern. Die schmutzige Schikane für Ella beginnt mit Böden wischen und Ofen kehren. Doch wie immer in der Märchenwelt und natürlich auch bei Andreas Gruhn gibt es da den schicken Prinzen im Schloss und ein Leben bis ans Ende aller Tage.
Alle Jahre wieder auch in Bochum. Dort hat Hannah Biedermann ein Familienstück generiert, das sich lieber mit dem Fest als solchem beschäftigt. Sieben SchauspielerInnen machen sich auf die Suche nach dem, was eine Familie an solchen Tagen zusammenhält. Sind es nur Rituale und wenn ja, wer fragt nach den richtigen? Und dann noch die Verpflegung: Würstchen und Kartoffelsalat, Truthahn oder Baklava? Bis der Baum brennt, oder die ganze Hütte, ist es immer ein weiter Weg und immer quatschen diese Kinder dazwischen und sagen der Feiertagsgesellschaft, wie es denn nun richtig sein soll. Am Schauspielhaus ist man überzeugt, dass die ganze Familie und die Schulklassen einem solchen Ritt durch das Fest aller Feste gewachsen sind.
Auch Heidi hat es von der Alm ins Weihnachtgeschäft geschafft. In Oberhausen zeigt Florian Fiedler seinen Kracher aus Hannover im spektakulären Winterbühnenbild. Hier wird Heidi zum Synonym für ein Dasein zwischen Zugehörigkeit und Fremdheit, es erzählt das Stück über Einsamkeit und Fremdbestimmung, über Freundschaft und Loyalität. Vor allem aber erzählt die Geschichte von Johanna Spyri über die Möglichkeiten Regeln zu sprengen. Denn Heidi ist auch eine Anarchistin der Liebe. Wohlan, Erziehungsberechtigte der Ruhr-Metropole wählet weise –und schnell!
Cinderella | Do 15.11.(P) 19 Uhr | Schauspielhaus Dortmund | 0231 502 72 22
Alle Jahre wieder | Sa 24.11.(P) 18 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
Heidi | Sa 24.11.(P) 16 Uhr | Theater Oberhausen | 0208 8 57 81 84
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es ist ein Weg, Menschen ans Theater zu binden“
Regisseurin Anne Verena Freybott über „Der Revisor kommt nach O.“ am Theater Oberhausen – Premiere 06/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Gegen Remigrationspläne
Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen – Was danach geschah“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 05/24
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Vom Elvis zum Cowgirl
„The Legend of Georgia McBride“ am Theater Oberhausen – Prolog 02/24
„Die Geschichte wurde lange totgeschwiegen“
Ebru Tartıcı Borchers inszeniert „Serenade für Nadja“ am Theater Oberhausen – Premiere 01/24
Multiple Zukünfte, sinnlos zerstört
„Die Brücke von Mostar“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/23
Antworten, die verschwiegen werden
„And now Hanau“ in einem Oberhausener Ratssaal – Prolog 09/23
Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 07/24
Keine Spur von Rechtsruck
Die Ruhrtriennale 2024 in Bochum, Duisburg und Essen – Prolog 07/24
Körperpolitik und Ekstase
„Tarab“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 07/24
„Das Risiko war der Neustart“
Die Intendantinnen Christina Zintl und Selen Kara nach ihrer ersten Spielzeit am Schauspiel Essen – Interview 07/24
„Das ist fast schon eine Satire“
Alexander Becker inszeniert „Die Piraten von Penzance“ am Opernhaus Dortmund – Premiere 07/24
Für Groß und Klein im Ruhemodus
Sommertheater in NRW – Prolog 06/24
Piraten von gestern und heute
Die Junge Oper Dortmund zeigt „Die Piraten von Penzance“ – Prolog 06/24
Queen trifft Edith Piaf
„Bye-Bye Ben“ am Aalto Theater Essen – Tanz an der Ruhr 06/24
Non-binär und nicht vergoethet
„Mein Blutbuch“ in der Essener Casa-Theaterpassage – Prolog 06/24
Grusel und Skurriles
40. Westwind Festival in Essen – Prolog 05/24