Manchmal hilft selbst die Sprache bei der Verständigung und dem Verstehen nicht mehr weiter. Nicht weil es unterschiedliche Landessprachen gibt, die erlernbar wären, sondern weil einfach bestimmte Inhalte einzelner Wörter, in welcher Sprache auch immer, interpretierbar und damit ungenau werden können. Und noch verwirrender ist es, wenn die freischaffende Bewegungsforscherin Foteini Papadopoulou Wörtern eine Körperlichkeit entlockt.
Denn diese Körperlichkeit ist die Währung, mit der heute jedermann bezahlen will, sei es im Leben, im Beruf, in der Außenwirkung. Für die Perfektion bei der Selbstdarstellung ist nichts zu teuer, helfen neurotoxische Proteine und Photoshop gemeinsam. Makellos ist das Zauberwort. Im Kontrast schaut die Choreografin in ihrem „Stück für drei Tänzer“ dabei im Maschinenhaus Essen lieber auch auf Fehler, Makel, Macken, Spuren. Denn zwischen dem Anspruch „perfektes Leben“ und der Realität gibt es selten Berührungspunkte. Entstanden ist der Abend im Rahmen ihrer zweiwöchigen Residenz im Maschinenhaus.
„Mich interessiert vor allem der Gegensatz zwischen dem, was der Mensch anstrebt und dem, was er tatsächlich erreicht“, erklärt auch Papadopoulou, die eine tänzerische Installation aus Bewegung, Sprache und Klängen geschaffen hat, die von ihrem interdisziplinären Team – bestehend aus Tänzern, einem Komponisten und einer Gestalterin – umgesetzt wird. Vielleicht kommt man dann der Frage näher, wie man mit solchen Makeln umgehen kann und ob nicht jeder Makel auch eine Form der Einzigartigkeit beinhaltet, mit der man sich abgrenzen kann. Schräg und humorvoll wollen sich die Künstler diesem Momentum nähern, und es stehen dabei nicht nur die menschlichen Fehler im Mittelpunkt, es geht auch um die scheinbaren Regelwerke künstlerischer Disziplinen, wie Tanztechniken und Bewegungsabläufe. Papadopoulou und ihr Team zeigen, dass sich bestimmte „Fehler“ in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich deuten lassen, aber auch wie sich Makellosigkeit im Laufe der Zeit verändert, erkennbar an Haushaltstipps für Frauen aus den 1950er und -60er Jahren.
„Stück für drei Tänzer“ | R: Foteini Papadopoulou | Fr 27.10, Sa 28.10 je 20 Uhr; So 29.10. 18 Uhr | Maschinenhaus Essen | www.maschinenhaus-essen.de
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