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William G. Tuckers „Prow“ in der Sylvesterkapelle
Foto: courtesy Situation Kunst

Der Klumpen dreht sich immer rundherum

25. August 2016

William G. Tuckers Bronzeskulptur „Prow“ in der Bochumer Sylvesterkapelle – Kunstwandel 09/16

Am frühen Morgen ist es schön im Schlosspark vom Haus Weitmar, die Vögel zwitschern, Radwanderer ruhen im Schatten der Sylvesterkapelle. Hier, wo früher die Eleven der leider untergegangenen Bochumer Schauspielschule immer Open-Air-Shakespeare gaben, hier dreht sich nun hinter gläserner Tür der bronzene Erdnussflip des britischen Künstlers William G. Tucker (81). Sein verwirrender Titel „Prow“ (2010), was eigentlich einen Schiffsbug bezeichnet. Danach sieht das krüsselige Ding aber erst einmal nicht aus, das sich da – angestrahlt von zwei Lichtern – endlos auf dem Beton-Quader in einem schmalen Mauertunnel (eigentlich romanisches Tonnengewölbe) dreht. Ist dies der einstige Zugang zum ehemaligen zerbombten Reliquienschrein (Krypta) der Schlosskapelle oder die Grabkammer? – und sowieso war der doch längst verschlossen. Für die Dauerleihgabe des eigentlichen Hausherrn Alexander von Berswordt-Wallrabe an die Stiftung Situation Kunst der Ruhr-Universität wurde der Gang wieder geöffnet und für ein paar Euro (25.000) hergerichtet.

Die wie in Stein gehauene oder auch lehmig wirkende Skulptur war es natürlich wert. Und ich habe sie sofort durchschaut. Nicht bedeutungslos, nicht abstrakt, ein Meer von Assoziationen schwemmt diese gekrümmte Form ins Gehirn. Fassen lässt sie sich kaum, selbst bei der langsamen Drehung verschwimmen ihre Konturen. Minimalart der 1960er, mit der Tucker damals berühmt wurde und 1968 an der Kasseler documenta IV teilnehmen durfte, wo eigentlich in der Hauptsache US-amerikanische Op- und Pop-Art der Welt gezeigt wurde. Unvergessen, Bazon Brock legte da los, und irgendwelche unbekannten linken Fluxus- und Aktionskünstler sollen da wohl demonstriert haben. William G. Tucker jedenfalls lebte von da an in New York und wurde dort eingebürgert.

Ebenfalls in der Ruine steht die Plastik „O.I.C.“ (1999) vom US-Bildhauergott Richard Serra (77). Zwei formal ebenmäßige Quaderblöcke aus Schmiedestahl korrespondieren lebhaft mit Tuckers Arbeit (Serra war zwar erst auf der documenta V, dafür aber auch bei VI, VII und VIII! – und er hat viele Roots im Ruhrgebiet – nur mal so am Rande). Schauen wir noch einmal auf „Prow“ und denken an die Unterwasser-Archäologie. Genau. Genauso würde der abgebrochene Bug eines alten Ägypter-Seekreuzers aussehen, wenn man ihn geborgen hat. Dass der Künstler in Kairo geboren wurde, tut hier natürlich nichts zur Sache. Der Meister der abstrakten Bildhauerei spielt mit der verschwommenen Abgrenzung zur Figuration, auch im Bochumer Schlosspark ist das so. Die Glastür vor seinem Werk entspringt wohl eher dem Sicherheitsgedanken. An diesem sonnigen Morgen musste man sich schon die Nase plattdrücken, um den vielleicht „Lehmklumpen“-Schiffsbug erkennen zu können, trotz Beleuchtung. Am Anfang war da ja immer nur ein Lehmklumpen, aber ordentlich entspiegeltes Glas hätte eigentlich im Etat der in Bochum üblichen Sponsoren drin sein müssen. Wo sind nur meine Erdnussflips?

William G. Tucker: „Prow“ | Situation Kunst (für Max Imdahl), Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum | Im Park von Haus Weitmar (Sylvesterkapelle) | 0234 298 89 01

PETER ORTMANN

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