Der Ort stimmt. Die Installationen von Kirsten Krüger entfalten vor allem in den Kabinetten des Wittener Museums, mit der Sachlichkeit des hellen Steinbodens und nur wenigen begleitenden Collagen und Zeichnungen an der Wand, ihren Reiz zwischen filigraner mehrteiliger Skulptur und pittoreskem räumlichen Ereignis, dessen Protagonisten außer Haus sind. Sie tragen den Charakter von unbelebt-beseelten Theaterszenen, die, wie durch einen Mechanismus ausgelöst, dann einsetzen, wenn ein Besucher den Raum betritt. Und sie besitzen etwas Intimes, das auratisch aufgeladen ist. Meist zeigen diese Installationen Einblicke ins private Leben; zu sehen ist der Ankleidetisch mit Spiegel, das Bett, eine gedeckte Tafel. Vieles davon findet draußen statt; tatsächlich ist in allen Werken die Natur der Tiere und der Pflanzen anwesend, der Mensch ja auch, aber nur mit seinen Spuren. Suggeriert werden eine traute Selbstvergessenheit und friedfertige Idylle. Doch schaut man genauer hin, so ist nichts mehr so, wie es eben noch war – der Traum kippt mitunter ins Alptraumhafte, die Tiere wirken mutiert, die Materialien sind künstlich. Gegenstände und Blattwerk beginnen plötzlich zu leben, bisweilen scheint man sich in einem Schauerroman wiederzufinden, oder wirken da nur feine Täuschungsmanöver zusammen?
Einen Schlüssel zum Werk von Kirsten Krüger, die 1966 in Lübeck geboren wurde und an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Klaus Rinke studiert hat, bildet die früheste Arbeit der Ausstellung: Bei dieser Wandarbeit (1996) hängen in drei Reihen jeweils fünf kurze Filmstreifen an Wäscheklammern. Jeder Streifen schließt mit einem Zettel ab. In der ersten Reihe steht darauf: „Zwei Frauen reden auf einem Balkon. 1,7 Sec.“, in der zweiten: „Ein Mann stirbt in einem Flugzeug. 1,5 Sec.“, in der dritten: „Ein Kind spielt mit einem Hund im Park. 1.9 Sec.“. Unterschiedliche alltägliche Beobachtungen sind konstatiert, sie sind entschleunigt und wortwörtlich der Zeit entrissen. Sie erhalten Einzigartigkeit, um für ihr Besonderes, ihre Größe und ihre Tragik zu sensibilisieren – nun wirklich als Teil unseres Lebens.
„Kirsten Krüger – Unwegsames Gelände / rough terrain“ I bis 20.5. I Märkisches Museum Witten I www.kulturforum-witten.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Schönheit und Schrecken
„Belgian Thoughts“ in Witten – Ruhrkunst 12/19
Plötzlich Vorbild
Geniale Einzelgänger in Witten – Ruhrkunst 09/19
Zukunft von Gestern
Die Gruppe „B1“ in Witten – Ruhrkunst 03/19
Das ganze Spektrum
Aktuelle Malerei in Witten – Ruhrkunst 04/18
Ganz früh vorne weg
Der „junge westen“ in Witten – Ruhrkunst 07/17
Raum in der Fläche
Frauke Dannert in Witten – RuhrKunst 10/14
Im Dialog mit der Sammlung
Jürgen Meyer stellt im Märkischen Museum Witten aus, leider nur noch für wenige Tage – Ruhrkunst 01/12
Seltsame Bilder
„21.lettres“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 08/20
Der Mensch in Kapiteln
„Body & Soul“ im Museum Ostwall – Ruhrkunst 08/20
Biene Maja trifft Dragon Ball
Animes – japanische Zeichentrickfilme in Dortmund – Ruhrkunst 08/20
Flaneure vor Industriekulisse
Rudolf Holtappel in Oberhausen – Ruhrkunst 07/20
Universelle Wahrheit
Martin Schoeller im NRW-Forum – Ruhrkunst 07/20
Glasröhrchen-Diskurs
„Neon Delight“ im Lichtkunstzentrum – Ruhrkunst 07/20
Wiedersehen und Neuentdecken
Die eigene Sammlung im erweiterten Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 06/20
Umdefiniert
Objet trouvé in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 05/20
Einfache Dinge des Lebens
Fotografin Aenne Biermann im Museum Folkwang Essen – Ruhrkunst 05/20
Expressive Ruhe
Erwin Bechtold in der Küppersmühle – Ruhrkunst 04/20
Durch Zeit und Raum
Udo Dziersk in der Cubus Kunsthalle Duisburg – Ruhrkunst 04/20
Biomorphe Kippfiguren
Keith Farquhar in Essen – Ruhrkunst 04/20
Skulpturen für alle
Jacques Tilly in Oberhausen – Ruhrkunst 03/20
Als Malerin mit Mittelpunkt
Angelika Kauffmann im Kunstpalast Düsseldorf – Ruhrkunst 03/20
Duisburger Tristessen
Laurenz Berges in Bottrop – Ruhrkunst 03/20
Gebaut für die Vergänglichkeit
Architekturfotograf Klaus Kinold in Duisburg – Ruhrkunst 03/20
Mit allen Sinnen
Idan Hayosh im Dortmunder U – Ruhrkunst 02/20
Grenzgänge
Zeitgenössische irische Kunst in Dortmund – Ruhrkunst 02/20