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„Weisse Magie – Die Epoche des Papiers" von Lothar Müller.

Das Papier als größtes Glück

12. Dezember 2012

Bedeutung des Papiers - Literatur 12/12

Es kam aus China und gelangte über Arabien nach Europa. Dort begann es das Denken und die gesamte Kultur für alle Zeit zu verändern. Das Papier ist eine Ware und ein Medium, daher scheint es sinnvoll, über die Geschichte seiner Materialität und die Bedeutung seiner kulturbildenden Kraft nachzudenken. Ist Letztere nicht akut von der digitalen Welt bzw. der stetig sich weitenden Plattform des Internets und deren Immaterialität bedroht?

Lothar Müller entwirft mit seinem Buch „Weisse Magie“ ein Porträt der „Epoche des Papiers“. Er ist Redakteur der Süddeutschen Zeitung und Literaturwissenschaftler an der Humboldt-Universität in Berlin. Müller zeichnet die Entwicklungslinien von Ägypten bis zur heutigen industriellen Produktion nach und verwebt darin die Bedeutung des Papiers für den Verwaltungsapparat eines Weltreichs, wie es die Römer besaßen. Wir sind bei den Kaufleuten der Renaissance in Genua zu Gast oder bei den Papierarbeiterinnen in der neuen Welt. Einen wichtigen Faden bilden die Entwicklungslinien von Briefen, Flugblättern, Papiergeld, Spielkarten, Packpapier und Zeitungen. Zugleich tritt Lothar Müller wiederholt in einen imaginären Ringkampf mit Marshall McLuhan, dem kanadischen Vater der modernen Medientheorie, ein, ohne diesen allerdings entscheidend ins Wanken bringen zu können.

Der Wissensdurst steigt mit jeder Seite, wenn man dieses Buch einmal in die Hand genommen hat. Das kann man zum Glück noch, denn es wird als schön gestalteter Korpus aus Papier gehandelt. Den größten Lesegenuss bereitet Müller mit dem Blick auf die Bedeutung des Papiers für die Literatur und die raffinierten Formen der Reflektion, mit denen uns Autoren das Papiermedium als Erkenntnisinstrument des Alltags bewusst machen. Auch wenn Müller mitunter ohne Not zu sperrigen Formulierungen neigt, so erweisen sich seine Betrachtungen zu Daniel Defoe und den Tagebüchern, zu Balzac und den Gesetzen des Buchmarktes, oder zu James Joyce und der erregenden Vitalität der Zeitungen als großartige literarische Appetitanregungen. Am Ende seiner Reise durch das Reich der weissen Magie zieht Müller eher trotzig sein Fazit mit der Behauptung: Wir leben, bis auf Weiteres, immer noch in der Epoche des Papiers.

Lothar Müller: Weisse Magie – Die Epoche des Papiers. Carl Hanser Verlag. 384 S., 24,90 €

Thomas Linden

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