Wenn Underground im Zusammenhang mit dem Musikgeschäft überhaupt noch irgendwas bedeutet, dann ist es „reichlich Arbeit“. Martin Juhls kann davon ein Lied singen. Nicht nur versorgt er Journalisten mit Infos über die elektronische Musikszene Dortmunds wie das Juicy Beats oder die DJ-Picknicks im Westpark, er ist auch noch Programmgestalter der Audiodigitale, Dortmunds einzigem Festival für elektronische Avantgarde- Musik. Und produziert nebenbei auch noch Musik. „Die Zeit dafür muss ich mittlerweile freischaufeln“, erzählt der 33Jährige am Telefon. Denn in die Rolle als Veranstalter ist er eher zufällig gerutscht. In seiner Heimatstadt Lünen legte er in einer Bar Ambient-Collagen mit Tape-Recordern und Turntables auf und kümmerte sich um die Pressearbeit. Als der Laden pleite ging, sprach ihn eine Bekannte an, die gerade das legendäre Dortmunder Cosmotopia gründete, und schon war Juhls dort mit von der Partie. Ambient produziert er weiterhin – sein Projekt Marsen Jules hat dieses Jahr zwei vergriffene Platten remastered und in New York sowie auf dem Montréaler Festival Mutek gespielt. „Bei Marsen Jules arbeite ich strikt dogmatisch an einer Reduktion bis auf Letzte“, beschreibt Juhls seine Arbeitsweise. Der Musik hört man diese Strenge nicht an. Sanft schmiegen sich die Stücke auf seiner letzten CD „Yara“ ans Ohr, immer wieder huscht ein Klavierakkord oder eine gezupfte Gitarre vorbei. Juhls nahm für das Album befreundete Musiker auf, aber benutzte die Zwischenräume, in denen nicht Komposition vorherrscht, als Ausgangsmaterial. Sein zweites Projekt krill.minima ist dagegen frei von diesen Konzepten. „Da wähle ich die Soundquellen ganz nach persönlichem Geschmack aus.“ So entstehen eher ungeschliffen wirkende Soundcollagen, die immer wieder von digitalen Hallfahnen und virtuell-analogen Synthesizersprengseln durchzogen werden. Nach einer Reihe von Veröffentlichungen auf verschiedenen Labels existiert krill.minima jetzt nur noch als Liveprojekt. Mitschnitte seiner Auftritte macht Juhls auf der Website verfügbar, die Musik ist in der Regel improvisiert. Eigentlich eine logische Konsequenz aus der Situation der Musikindustrie, aber auch eine Überzeugung. Fast alle bisherigen krill.minima-Releases erschienen auf kleinen Netlabels, die bereits im Internet eine breit vernetzte Szene bildeten, bevor Apple den Vertrieb von Musikdateien massenkompatibel machte. Und bevor Juhls sich in die Löwenhöhle des Livegeschäfts wagt, die er ja als Booker zur Genüge kennt, wählt er lieber ein wenig Gemütlichkeit. Wer krill.minima für ein Konzert buchen möchte, braucht sich nur mit dem Künstler in Verbindung setzen, die Fahrtkosten zu überweisen und ein Feldbett aufzustellen. „Eigentlich würde ich am liebsten in irgendwelchen Wohnzimmern spielen“, beschreibt Juhls seine Pläne. „Es geht halt um den Spaß und nicht ums Geldverdienen.“
www.krillminima.de I „Yara“ von Marsen Jules ist bereits auf Oktaf erschienen: www.marsenjules.de
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