In Berlin Mitte, vierter Stock mit dem Fahrstuhl, nicht das Atelier, das ist außerhalb der Stadt in der Natur gelegen. Aber Maki Na Kamura ist auf dem Sprung und schon dabei, ihre nächste Einzelausstellung im Museum Dhondt-Dhaenens im belgischen Deurle vorzubereiten. Die landschaftliche Umgebung des Ateliers sei sowieso nicht wichtig für ihre Bilder, sagt Maki Na Kamura. Ihre Sache ist vielmehr die vermittelte Natur: Ihre Gemälde klinken sich in die Tradition der Landschaftsmalerei ein, rekapitulieren diese und beleben sie für die Gegenwart wieder. „Landschaft“ besteht nun aus fetzenartigen, abstrakten Farbflächen, die sich, wie Collagen ineinander verzahnt und tatsächlich transparent übereinander liegend, in der Balance halten. Aus der Nähe reine Malerei, lassen sich dann doch dingliche Phänomene – ein liegender weiblicher Akt, Bäume, Bergkuppen in der Ferne – ausmachen. Umso klarer ist die Erkenntnis, dass Malerei eine Lüge sei, wie Maki Na Kamura betont: Sie sei Farbe, die auf eine Fläche aufgetragen ist. Sie arbeitet damit und dagegen an. In neueren Bildern lässt sie auf der Leinwand- oder Papierfläche rundum einen weißen Randstreifen stehen, auch um jede Plastizität des Bildkörpers zu relativieren, es sei denn, daraus leitet sich der Präsentationsmodus ab. Das ist jetzt in Hagen in einem Raum der Fall, der sich an der Schnittstelle des „alten“ Karl Ernst Osthaus Museums zum Neubau befindet.
Dass Tayfun Belgin, der Direktor des Osthaus Museums, der auch die Ausstellung kuratiert hat, ihre Kunst konzeptuell verstehe, habe sie gefreut, ergänzt Maki Na Kamura.
Und doch handelt es sich bei ihren Bildern auch um Malerei, die sichtlich schnell vonstatten geht, hohes Risiko fährt und ihre jeweiligen Themen und die damit verbundenen Motive in eigenen Bildserien variiert.
Maki Na Kamura trägt die Ölfarbe mit viel Wasser auf und erzeugt so einen schwebenden Charakter. Mitunter liegt ein rinnender Schleier aus Farbe über dem Geschehen. Aus der Tiefe der transparenten Flächen kommt ein Licht, welches das Geschehen weiter der Realität enthebt. Gegen das Ortlose setzt Maki Na Kamura einzelne Linien, formale Verdichtungen, die in den Bildserien jeweils analog angelegt sind. Tatsächlich bildet in ihren jüngeren Serien oft ein Meisterwerk der Kunstgeschichte den Ausgangspunkt. Eine weiche blaue Form im Mittelgrund repräsentiert, entnommen einer Studie von Puvis de Chavannes, ein Gewässer, konkreter einen „See“, so auch der Titel dieser Werkgruppe von 2016. Eine gebogen verlaufende Vertikale in der Bildmitte bezeichnet einen Baum; nun aber wird er zum trennenden Element. Markus Lüpertz hat ähnlich Paraphrasen zur Kunstgeschichte entwickelt, die aber doch ganz anders sind – er gehört zu den wichtigen Künstlern für Naki Ma Kamura, die vor zwei Jahrzehnten von Osaka nach Deutschland gekommen ist. Ein anderer ist Jörg Immendorff, bei dem sie an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat. Erst nach ihrem Umzug nach Berlin trat sie mit größeren Ausstellungen in Erscheinung, wurde dort auch mit dem Falkenrot Preis ausgezeichnet. Die Ausstellung in Hagen aber ist ihre erste in einem deutschen Museum.
Im Mittelpunkt der Ausstellung in der Oberen Galerie, noch vermittelnd zwischen Alt- und Neubau, befindet sich die neue Werkgruppe „Steine legen, Äpfel lesen“. Maki Na Kamura beruft sich hier auf Millet's drei „Ährenleserinnen“ (1857): Inmitten der hochformatigen Tafeln ist bilddominant eine einzelne Figur zu sehen, die sich nach unten beugt und den Gestus des Greifens und Aufhebens vor Augen führt. In der Summe der Gemälde deuten die Pflückerinnen einen Bewegungsablauf an, Maki Na Kamura verweist für das Museum noch auf dessen Brunnen der fünf Knaben von Georg Minne. Auch über diese Referenzen und die Qualität der Malerei hinaus macht die Ausstellung in Hagen absolut Sinn: Nach Schauen u.a. mit Fabian Seyd und Julian Khol untersucht Tayfun Belgin mit ihr erneut die zeitlose Aktualität des Mediums Malerei für die jüngste Generation. Kompliment!
„Maki Na Kamura – Steine legen, Äpfel lesen“ | bis 16.4. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 31 38
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