Es ist ein Dienstagabend und das Konzerthaus in Dortmund füllt sich mit Menschen. Ein Gong erklingt und das Publikum strömt den Treppen entgegen. Tickets werden kontrolliert und Plätze eingenommen. Ein Klangteppich aus Gemurmel legt sich über den Saal, dann wird das Licht gedämmt. Es ist still als Amadou Bagayoko und Mariam Doumbia in die Bühnenmitte geführt werden. Beide tragen Sonnenbrillen und Mariam verströmt die elegante Ausstrahlung einer malischen Frau. Bis jetzt ist alles wie gewohnt verlaufen. Doch dann setzten sie zum ersten Lied an. Sukzessiv füllt sich die Bühne mit den restlichen Bandmitgliedern, die klatschend und freudig-strahlend die Bühne und das Publikum erobern. Nach den ersten Minuten wird klar: das wird eine gemeinsame Party und Dortmund ist heute zu Besuch in Mali.
Das Musikerehepaar aus Mali scheute nie Einflüsse aus anderen Musikrichtungen und so ist auch das neue Album „Folila“ in Zusammenarbeit mit Musikern aus dem Popbereich, dem französischen Chanson und dem Rock bereichert worden. Trotzdem bleiben sich die beiden mit einer Mischung aus eingängigen, unverkennbaren Melodien und traditionell afrikanischen Rhythmen des Afro-Blues treu. Das ermöglicht die wildesten Zusammenführungen von afrikanischer Folklore und westlicher Rockgitarre.
Es fällt schwer, sich zu entscheiden, auf wen man sich als Zuschauer konzentriert. Da stehen in der Mitte Amadou und Mariam und bewegen sich kaum von der Stelle. Es ist faszinierend zu beobachten, wie diese in sich ruhenden Musiker eine so starke Bühnenpräsenz besitzen. Dabei werden sie von einem stimm- und soundgewaltigen Ensemble umringt. Die beiden Backgroundsängerinnen sind zwei Schönheiten, die mit einem afrikanischen Timbre und ansteckenden Choreografien überzeugen. Ganz rechts hat sich der DJ positioniert, an seiner Halskette baumelt die Silhouette Afrikas. Drummer, Percussionist und Keyboarder komplettieren die Band. Immer wieder animieren die Musiker zum Klatschen und ab dem vierten Lied an diesem Abend „Afrika mon Afrique“ wippen zumindest alle Finger im Rhythmus im Publikum mit. Als das fünfte Lied ansetzt steht schon die erste Konzertbesucherin vor der Bühne und tanzt. Zunächst ist dieser Anblick in einem Konzertsaal befremdlich, aber wenig später steht der ganze Saal und tanzt, als gäbe es keine Sitzplätze. Auch auf der Bühne gibt es keine Begrenzung und so wandert der Percussionist Boubacar Dembele zwischen seinen Bandkollegen hin und her, während DJ „ MO DJ“ sich Drumsticks schnappt und auf eine Trommel des Schlagzeugers hämmert. Keyboarder Charles-Frederik Avot steht mittlerweile tanzend zwischen den Sängerinnen und den einzigen Ruhepol bildet das lächelnde Pärchen, das alles zusammenhält: Amadou und Mariam.
Ein Abend, an dem das Publikum knapp zweit Stunden von der ersten Sekunde an tosend applaudiert, tanzt und singt. Ein Konzert, das einen staunend zurücklässt und den ein oder anderen süchtig machen wird. Süchtig nach Amadou und Mariam und ihrer wilden Mischung. Summend geht man heim und wiegt sich noch lange im Rhythmus von Liedern wie „La réalité“ oder „Je pense à toi“.
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