„Du machst auf hart, doch du bist in Wahrheit nur ein Punker“, grunzte der Rapper Fler anno 2005, als Berliner Hip-Hop noch jung und in der Findungsphase war, sich abgrenzen und behaupten wollte gegen andere Jugend- und Subkulturen. Wer hätte gedacht, dass das heitere Lied mit dem fröhlichen Titel „Cordon Sport Massenmord“ nur wenige Jahre später von den Shitlers, einer hiesigen Punkband, gecovert werden sollte? Die Band, die Hip-Hop-Referenzen in Punk-Übersetzung als Markenkern hat, tritt dieses Jahr beim Fest der Feste auf: nämlich in der Turbinenhalle Oberhausen beim Indoor-Festival Punk im Pott.
Dass Punk mehr Herzensangelegenheit und Attitüde ist als ein musikalisch-theoretisch eingrenzbares Genre, zeigt das diesjährige Line-up: Da treten dieses Jahr nicht nur die Shitlers auf, außerdem Klassiker wie Fahnenflucht und Die Lokalmatadore, sondern auch der Liedermacher Götz Widmann. Zum Pogen lädt dessen Musik nun wirklich nicht ein. Dafür gibt er praktische Ratschläge zum gewaltlosen Widerstand durchs „Zöllner vom Vollzug abhalten auf der A4“. Merke: „Willst du’nen Profi provozieren, musst du dein Fahrzeug präparieren“ – mit Marihuana-Sticker auf der Heckscheibe und ominösen Briefumschlägen unter Müllbergen auf dem Beifahrersitz. Das verspricht heitere Stunden mit der Staatsmacht in den Grenzgebieten zu den Niederlanden. Hymnen auf den vermeintlich ersten Haschischtoten Hank, Drogenspürhund Eduard und andere Kiffer-Hits hat das Bonner „Monster of Liedermaching“ natürlich auch mit im Gepäck. Ein grasbegeisterter Alt-Hippie auf einem bierseligen Punk-Festival? Minderheitenschutz funktioniert, zumindest in der Punk-Szene.
Punk nicht als Genre, sondern als Idee verstehen – als Idee einer Musik, die jeder machen kann, vollkommen unabhängig von finanziellen Möglichkeiten und musikalischer Vorbildung – war und ist bis heute auch das Konzept hinter der Hamburger Band Egotronic: Gitarre und Schlagzeug muss man nämlich nicht nur spielen, sondern sich auch erstmal leisten können. Computer-Software lässt sich Gerüchten zufolge ja aber sehr leicht für umme besorge, und den Umgang mit Synthie und Drumpad bringt man sich sowieso leicht selber bei. Electro-Punk war geboren und ravet seitdem gegen Deutschland und dumpfen Patriotismus. Oder ravet einfach nur so. Geht ja auch.
Und dann sind da noch die mächtigen Kassierer samt Frontmann Wölfi – Bochums Bürgermeister der Herzen und ruhmreichster Wattenscheider der Welt, noch vor James Bond (der laut Schöpfer Ian Fleming hier im Pott das Licht der Welt erblickte). Von den inneren Werten her: unabstreitbar Punk. Musikalisch torkelt die Kult-Band erfrischend oft auf verschlungeneren Wegen: sei es mit Neuvertonungen von Moritaten („Tauben vergiften im Park“) oder Ska-Ausflügen nach Absurdistan („Das Leben ist ein Handschuh“). Und gerade zum Abschluss dieses bewegten Jahres brauchen wir nichts mehr als diese an Erfahrung reichen Thresen-Intellektuellen, die uns immer daran erinnern, was „das Schlimmste“ ist... Und so viel kann man schon versprechen, und es tröstet: Das Bier ist noch nicht alle. Immer noch nicht.
Punk im Pott | 27. u. 28.12. | Turbinenhalle Oberhausen | www.punkimpott.de
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