Die Rotunde wurde renoviert und neu eröffnet, doch die UrbExpo bleibt dort, wo sie sich wohl fühlt und auch hingehört: in den düsteren, nassen Kellern der Schlegel-Brauerei in Bochum. Letztes Jahr hat die Ausstellung für Lost-Places-Fotografie hier ihr neues Zuhause gefunden. Ab 25.8. lädt sie alle Freunde schaurig schöner Hässlichkeit hierhin ein: 20 Bilderserien von 20 Fotografen entführen die Betrachter in die toten Winkel der Welt, zu von jeder Seele verlassenen, rostigen Flak-Geschützen auf hoher See, in die leblosen hohen Hallen von Industrie-Ruinen und andere Orte, die schon lange keine mehr sind.
Oder solche, die noch keine geworden sind: Ben Gowertt aus Münster zeigt in seiner Serie „Stillleben auf Zeit“ Aufnahmen von Baustellen mit Blick fürs Detail. Eine Schubkarre ruht sich aus von getaner Arbeit, lehnt sich an eine graue Wand und verschwindet fast in ihr. Ein Scheinwerfer leuchtet nicht mehr und blickt leblos ins Nichts. Der Held des dritten Bildes ist ein Haufen Schrott, lieblos aufgehäuft aber mit Liebe auf Bild gebannt. Es herrscht Stillstand hier und auch wenn niemand den Staub aufwirbelt, man kann ihn fast atmen.
Oliver Parviz Engel widmet sich in „Monsters of Steel and Concrete“ dem Klassiker der Lost-Places-Fotografie: Alten Industriehallen, dunkel aber ausgeleuchtet bis aufs kleinste Staubkorn; Hochglanz-Fotos von glanzlosen Baracken. Er zeigt die „Red Sand Naval Forts“ im Meer vor England: alte Flak-Geschütze, seit Kriegsende langzeitarbeitslos und verkommen – ein toter Ort im Salzwasser, geschaffen für eine Zeit des Todes. Ein seltsamer Grusel haftet dieser Schwarzweiß-Fotografie an.
Nicht alle Bilder der inzwischen sechsten UrbExpo sind derart düster: Der Essener Andreas Düllmann fotografiert die Leichen der Kohle- und Stahlindustrie so, dass sie wie aus einem Science-Fiction-Film aussehen, dank rätselhafter Bildausschnitte und einer fantastischen Farbgebung. Reportagefotograf Thomas Köster zeigt „Die gefaltete Welt des E.H.“ und gibt Einblick in die chaotisch-schöne Welt eines einsamen Papierfaltkünstlers. Und Thomas Windisch aus Graz beweist in sattem Grün auf beigen Ruinen, dass die Natur jede Menschheitsruine zurückerobert und wieder zum „Palazzo di Gaia“ macht.
UrbExpo 2017 | 25.8.-10.9., Mo-Fr 15-20 Uhr | Schlegel-Keller, Willy-Brandt-Platz 5-7 447887 Bochum | www.urbexpo.eu
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