Die ersten Hinweise finden sich draußen. Auf der Kortumstraße hinter der Eisenbahnbrücke und vor der Kindertagesstätte hängt ein Großplakat zur Ausstellung von Theresa Weber. Überwachsen vom Blattwerk, schweben, fallen über einem schwarzen Grund grün-blaue Tropfen durch ein Raster weißer Linien, gerahmt von silhouettenhaften Vertikalen, die an Taue oder Zöpfe ebenso wie an den Aufbau einer Marionette erinnern und streng und gleichzeitig spielerisch sind: Was für ein Auftakt für diese Ausstellung.
Das Schwarz kehrt im Ausstellungsraum, an den Wänden, auf dem Boden und im verdunkelten Videoraum wieder: Es sorgt für Ruhe und evoziert eine fremde Welt, die der Tiefsee oder dem Kosmos oder ewig vergangenen Zeiten und Kulturen entstammt. Es ist eine Verstärkung für die Bilder und Objekte, die über die handwerklichen Techniken, die Farben mit den feinen Abstufungen und über die Motive auf den Bildern miteinander interagieren. Theresa Weber, die in Düsseldorf und in London studiert hat, ist mit 28 Jahren eine Überfliegerin der Kunstszene. Die Ausstellung im Kunstmuseum Bochum ist ihre erste Museumsausstellung, in der Region eingeleitet durch ihre Teilnahme bei den „Raumpositionen“ des Kunstvereins Gelsenkirchen und in Bochum an Ort und Stelle bei „our house …“: Als Verstrickung von Seilen, zusammengefasst durch Verknotungen und Einsprengsel wie Perlen, Haare und fotografische Reproduktionen, verbindet die dafür geschaffene meterhohe Installation Oben mit Unten und den Zwischenräumen – auch jetzt, als Teil von Webers aktueller Schau. Im Verweis auf vier urzeitliche Göttinnen ist dort die hybride Identität und das Zusammenwirken unterschiedlicher Kulturen als Leitthema ihrer Kunst bereits formuliert.
Der Ausstellungstitel „Chaosmos“ versteht sich nicht nur als Hinweis auf Undurchdringliches und Unbegreifliches, sondern ist auch Beleg, wie Theresa Weber mit Sprache und Formen umgeht. Ihr bevorzugtes Arbeitsmaterial sind Fäden und Seile, die sie zu vegetativen Flechten erweitert oder über ihre Bilder legt. Eingeflochten sind Schmuck, Fingernägel und pastose Farbmaterie, die sich zu Abfolgen fügen, erst recht in ihren Bildern, in denen Zeichnungen, Fotografien und Drucke besonders Gottheiten und Ereignisse aus der Kolonialgeschichte und historische Überlieferungen anderer, untergegangener Kulturen zeigen. Unter Schichten von Polyesterharz versiegelt und mitunter Mosaiken gleich, initiieren sie kartographisch anmutende Bilder, die in die Höhe wachsen: Sie schildern die Aufwühlung und Versehrtheit einer Welt voller Ungerechtigkeiten gegenüber Diversität, Ethnien und Kulturen, auch heute noch.
Einen anderen Ton schlägt die Videoinstallation einer Lese-Performance der Schwarzen Künstlerin an, die mit sanften insistierenden Mitteln unsere Existenz und unser Zusammenleben anspricht. Ausgehend von Beethoven entwickelt sie einen Gedankenstrom, in dem sich die Worte und Sätze formen und aneinander reiben, das Körperbewusstsein verstärken und in all dem kongruent zu den Installationen und Bildern sind: konzentriert und voller Empathie für das Leben, seine Vielfalt und Verflochtenheit und seine uralten Erzählungen.
Theresa Weber – Chaosmos | bis 13.10. | Kunstmuseum Bochum | 0203 30 19 48 11
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