Preisfrage: Was macht ein RuhrTriennale-Spielort, wenn gerade keine RuhrTriennale stattfindet? Er spendet keinen Schatten – aber Trost. Denn anstatt Bäumen findet man auf der Halde Haniel im Bottroper Nordwesten in erster Linie Totholz. 15 Stationen hat das Erzbistum Essen hier 1995 als Kreuzweg aufstellen lassen, jede davon besitzt die Form eines Förderturms. Denn verantwortlich für die Halde ist letztlich die Ruhrkohle AG. Die betreibt direkt nebenan eine Zeche namens – Überraschung –Prosper Haniel mit einer Förderung von vier Millionen Tonnen Kohle. Als Nebenprodukt der prosperierenden Kohleförderung, die in den nächsten Jahren ein jähes Ende finden wird, brachte sie die Masse an Abraum hervor, die heute als Industriekulturdenkmal in jedem Reiseführer steht. Und um nicht nur die Leiden Christi, sondern auch die der Bergleute für die post-montanen Ruhrgebietsbewohner und ihre touristischen Gäste nachfühlbar zu machen, beginnt jeder Besuch der 159 Meter hohen Halde mit einem etwa 25minütigen Aufstieg per pedes.
Zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen
Einmal dort angekommen hat man eine wirklich fantastische Aussicht über die angrenzenden Städte: Dinslaken, Gladbeck, Oberhausen, Gelsenkirchen und selbstverständlich Bottrop selber. Nur das Kohlekraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven drängt sich beim Blick nach Osten ein wenig unangenehm ins Sichtfeld. Der wahre Blickfang ist aber die für das Ruhrgebiet typische Haldenkunst. Diese folgt dem tradierten Muster. Man nimmt ein eher zweckmäßiges Material mit Verbindung zum Schweiß der alten Arbeitswelt und stellt es leicht verfremdet in die Gegend. Auf der Halde Haniel durfte der baskische Bildhauer Agustín Ibarrola alte Eisenbahnschwellen als „Totems“ in einem Halbkreis aufstellen. Welche Gruppe genau diese Totems eigentlich repräsentieren sollen, bleibt dagegen ein wenig unklar, aber seine Installation ist zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen und hat damit den primären Zweck von Kunst im Ruhrgebiet gleich erfüllt: Sie lockt Touristen an. Der größte Trostspender inmitten dieser „Wahnsinnswüstenlandschaft“ (Wim Wenders) ist jedoch das 800 Plätze umfassende Amphitheater, in dem die einheimischen Bildungsbürger die Einheit von Zeit, Raum und Handlung im faux-authentischen Ambiente genießen dürfen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur eine Verneigung vor der Kultur der ‚Gastarbeiter‘ aus Italien. Auf Sizilien steht so ein Amphitheater schließlich auf jedem Hügel, der ein wenig was auf sich hält. Am Eröffnungswochenende der Triennale werden die Japanoiser Boredoms hier ihren proto-schamanistischen Trommelzirkel abhalten. An den 51 anderen Wochenenden ist das Vollrund dann die Kulisse für alltägliche Ausflugsaktivitäten: eine Brotzeit auf dem Halbrund und eine Schnappschusslocation für den geliebten Vierbeiner.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Kahlschlag in der Freien Szene
Massive Kürzungen der NRW-Kulturförderung drohen – Theater in NRW 06/25
Auf’m Gipfel wird es voller
NRW-Kulturpolitik in Zeiten leerer Kassen – Magenbitter 07/13
Kein Sparen ohne Mehrwert
In Oberhausen lenkt die Kulturnacht von einem Dauerthema ab – Thema 08/12 Kulturförderung
Operation geglückt, Patient tot?
Die Kulturförderung des Landes möchte auch gefährdeten Theatern helfen – THEMA 08/12 KULTURFÖRDERUNG
„Eine gezielte Aufgabenkritik muss möglich sein“
Ute Schäfer zur Kulturförderung der Landesregierung – Thema 08/12 Kulturförderung
„Das Zentrum einer Stadt verteidigen“
Anselm Weber über die Zukunft des Schauspielhauses Bochum – Thema 08/12 Kulturförderung
„Die Stadt wird nicht wiederzuerkennen sein“
Ulrich Greb zu der Zukunft des kulturellen Lebens in Moers – Thema 08/12 Kulturförderung
Das Glück liegt auf der Bühne
Helga Scharmin arbeitet im Dortmunder Theater im Depot – Thema 08/12 Kulturförderung
Kampf um Kalorien
Intro – Den Bach runter
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 1: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Unter Fledermäusen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Keine Frage der Technik
Teil 2: Leitartikel – Eingriffe ins Klimasystem werden die Erderwärmung nicht aufhalten
„Klimakrisen sind nicht wegzureden“
Teil 2: Interview – Der Ökonom Patrick Velte über die Rückabwicklung von Nachhaltigkeitsregulierungen
Von Autos befreit
Teil 2: Lokale Initiativen – Einst belächelt, heute Vorbild: Die Siedlung Stellwerk 60 in Köln
Nach dem Beton
Teil 3: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Städte wie vor dem Zweiten Weltkrieg“
Teil 3: Interview – Stadtforscher Constantin Alexander über die Gestaltung von Wohngebieten
Für eine gerechte Energiewende
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Was bleibt
Die Natur und wir – Glosse
Hört das Signal
Intro – Gesund und munter
Heimat statt Pflegeheim
Teil 1: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
„Wo Regelmäßigkeit anfängt, sollte Nachbarschaftshilfe aufhören“
Teil 1: Interview – Architektin Ulrike Scherzer über Wohnen im Alter
Gemeinsam statt einsam
Teil 1: Lokale Initiativen – Wohnen für Senior:innen bei der Baugenossenschaft Bochum
„Der Arzt muss dieses Vertrauen würdigen“
Teil 2: Interview – Kommunikationswissenschaftlerin Annegret Hannawa über die Beziehung zwischen Arzt und Patient