Wie ein typischer Tag im Theater aussieht, das kann Helga Scharmin gar nicht sagen. „Das Typische ist“, erklärt sie, „dass jeder Tag anders ist.“ Oftmals seien es nur Kleinigkeiten, die den Tag besonders machen. „Künstler vergessen immer irgendetwas“, sagt sie und schmunzelt. Wenn Helga Scharmin dann helfen kann, macht sie es natürlich. Und so besorgt sie die fehlenden Kleinigkeiten für die Schauspieler und steht einmal sogar selbst auf der Bühne. In der vergangenen Spielzeit hatte sie eine Rolle als Komparsin. In „Verehrt und angespien – Das Testament des Francois Villon“ unter der der Regie von Stefan Schroeder spielt sie Karten und trägt in einer anderen Szene ein Glas Wasser auf die Bühne. Ihr Gesicht strahlt, wenn sie über ihre Arbeit erzählt. Ihre Rolle hat ihr Spaß gemacht, wie so vieles in ihrem Job. Um zehn Uhr in der Früh beginnt ihre Tätigkeit, um achtzehn Uhr endet sie normalerweise. Acht Mitarbeiter sind beim Theater im Depot beschäftigt, davon arbeiten drei in Vollzeit. Helga Scharmin arbeitet als Finanzbuchhalterin in der Verwaltung. „Da unterscheidet sich ein Theater nicht von einem Wirtschaftsunternehmen“, sagt sie. Dennoch ist ihr Job in einem der größten Freien Theater NRWs in vieler Hinsicht anders. Sie wäscht und spült – täglich anfallende Arbeiten, die alle Mitarbeiter ausüben. Das Theater im Depot muss schließlich laufen. Mancher Tag fordert mehr als acht Stunden. „Ich verliere mich in der Zeit. Sie vergeht doppelt so schnell wie normal“, sagt Helga Scharmin. Manchmal weiß sie gar nicht, welcher Tag heute ist, denn sie hilft ehrenamtlich abends und an den Wochenenden an der Theaterkasse aus. Helga Scharmin lässt die Besucher ins Theater, reißt Eintrittskarten ab und kümmert sich um ihre Belange. Bei den Premierenfeiern schenkt sie Sekt ein und sammelt Gläser. Sie muss immer aufmerksam sein: „Ich warte darauf, ob einer der Gäste einen Wunsch hat.“
Vielfältige Theater- und Tanzprojekte jenseits der klassischen Stücke
Über zufriedene Theaterbesucher freut sie sich besonders: „Auch wenn es nur zwanzig Besucher sind, sehe ich, dass wir die Menschen glücklich gemacht haben.“
Mit dem Ehrenamt hat alles begonnen. Lange bevor sie im September des vergangenen Jahres eine feste Stelle bekam, engagierte sich Helga Scharmin im Theater. Als eine Kollegin erkrankte, sprang sie ein. Es war purer Zufall, wenn auch für Helga Scharmin ein glücklicher, dass sie diese Stelle bekam. „Ich bin einfach da gewesen.“ Angst, aufgrund klammer Kassen ihren Job zu verlieren, hat sie nicht: „Es geht immer weiter.“ Schließlich sei das Theater darauf angewiesen, dass es durch die öffentliche Hand unterstützt werde. An einem Freien Theater reizt sie die Möglichkeit, vielfältige Theater- und Tanzprojekte jenseits der klassischen Stücke zu sehen. Regelmäßig zeigt das Theater im Depot ein genreübergreifendes Gastspielprogramm und beteiligt sich an Festivals. Seine Bühne, das Herzstück eines jeden Theaters, ist auch für Helga Scharmin etwas Besonderes. Bei ihren täglichen Wegen schreitet sie bewusst über das Parkett. „Wenn ich zweimal am Tag über diese Bühne gehen kann, dann bin ich glücklich.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Kahlschlag in der Freien Szene
Massive Kürzungen der NRW-Kulturförderung drohen – Theater in NRW 06/25
Auf’m Gipfel wird es voller
NRW-Kulturpolitik in Zeiten leerer Kassen – Magenbitter 07/13
Kein Sparen ohne Mehrwert
In Oberhausen lenkt die Kulturnacht von einem Dauerthema ab – Thema 08/12 Kulturförderung
Operation geglückt, Patient tot?
Die Kulturförderung des Landes möchte auch gefährdeten Theatern helfen – THEMA 08/12 KULTURFÖRDERUNG
„Eine gezielte Aufgabenkritik muss möglich sein“
Ute Schäfer zur Kulturförderung der Landesregierung – Thema 08/12 Kulturförderung
„Das Zentrum einer Stadt verteidigen“
Anselm Weber über die Zukunft des Schauspielhauses Bochum – Thema 08/12 Kulturförderung
„Die Stadt wird nicht wiederzuerkennen sein“
Ulrich Greb zu der Zukunft des kulturellen Lebens in Moers – Thema 08/12 Kulturförderung
Schutthaufen statt Stadttheater
Was macht die Halde Haniel außerhalb der Theatersaison? – Thema 08/12 Kulturförderung
Kampf um Kalorien
Intro – Den Bach runter
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 1: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Unter Fledermäusen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Keine Frage der Technik
Teil 2: Leitartikel – Eingriffe ins Klimasystem werden die Erderwärmung nicht aufhalten
„Klimakrisen sind nicht wegzureden“
Teil 2: Interview – Der Ökonom Patrick Velte über die Rückabwicklung von Nachhaltigkeitsregulierungen
Von Autos befreit
Teil 2: Lokale Initiativen – Einst belächelt, heute Vorbild: Die Siedlung Stellwerk 60 in Köln
Nach dem Beton
Teil 3: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Städte wie vor dem Zweiten Weltkrieg“
Teil 3: Interview – Stadtforscher Constantin Alexander über die Gestaltung von Wohngebieten
Für eine gerechte Energiewende
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Was bleibt
Die Natur und wir – Glosse
Hört das Signal
Intro – Gesund und munter
Heimat statt Pflegeheim
Teil 1: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
„Wo Regelmäßigkeit anfängt, sollte Nachbarschaftshilfe aufhören“
Teil 1: Interview – Architektin Ulrike Scherzer über Wohnen im Alter
Gemeinsam statt einsam
Teil 1: Lokale Initiativen – Wohnen für Senior:innen bei der Baugenossenschaft Bochum
„Der Arzt muss dieses Vertrauen würdigen“
Teil 2: Interview – Kommunikationswissenschaftlerin Annegret Hannawa über die Beziehung zwischen Arzt und Patient