Fades Essen, leere Flure, kleine Zimmer – viele ältere Menschen wollen nicht in ein Pflegeheim, sondern so lange wie möglich in den eigenen, vertrauten vier Wänden wohnen. Doch was braucht es, damit das gelingt, und was tut die Politik?
Notwendig ist ein soziales Netz und die passende Infrastruktur: Angehörige, Freunde oder Nachbarn, die im Alltag unterstützen, Ehrenamtliche, die Gesellschaft leisten, Essen auf Rädern, von der Krankenkasse finanzierte Alltagshelfer, seniorengerechte Freizeitangebote mit Bringservice – und schließlich ambulante Pflegedienste oder pflegende Angehörige. Ebenso wichtig sind barrierefreie oder -arme Wohnungen: ebenerdig, ohne Türschwellen, mit breiten Türen und rollatorgerechten Duschen. Offiziell barrierefrei sind Wohnungen dann, wenn alle Kriterien der DIN-Norm 18040 umgesetzt sind. Doch viele Senioren bleiben bis ins hohe Alter in ihren Familienwohnungen. Diese sind oft zu groß für ein oder zwei Personen und nicht altersgerecht umgebaut. Gleichzeitig suchen junge Familien händeringend nach großen Wohnungen.
Soziale und technische Mängel
„Rentner bleiben nicht aus Jux und Tollerei in großen Wohnungen. Sie können sich einen Umzug oft schlicht nicht leisten“, so Wohnungsmarktforscher Reiner Braun 2024 im Focus. Altersgerechte Wohnungen sind meist teurer und konkurrieren auf dem freien Wohnungsmarkt. Laut immowelt.de zahlen Mieter in der Hälfte der Städte über 100 Euro mehr. Zudem fehlen laut einer Studie des Pestel-Instituts von 2023 in Deutschland rund 2,2 Millionen barrierefreie Wohnungen. Einige Städte fördern Wohnungstauschbörsen oder zahlen Umzugsprämien für Senioren – doch wohin umziehen, wenn es an seniorentauglichen, bezahlbaren Wohnungen mangelt? Aufgrund des demografischen Wandels steigt der Bedarf kontinuierlich.
Versorgung Zuhause
Eine Alternative sind gemeinschaftliche Wohnprojekte, die Versorgung, Unterstützung und ein soziales Netz in den eigenen vier Wänden vereinen. Dazu zählen Mehrgenerationen-WGs, private oder trägergestützte Senioren-WGs, betreutes Wohnen in Wohnanlagen oder Modelle wie „Wohnen für Hilfe“, bei denen Studierende kostenfrei wohnen und im Alltag helfen. Angebot und Nachfrage wachsen – doch es reicht längst nicht für alle Interessierten.
Fehlende Antworten im Koalitionsvertrag
Und was plant die neue schwarz-rote Regierung? Immerhin, laut Koalitionsvertrag sollen Mehrgenerationenhäuser sowie die Entwicklung innovativer Wohnkonzepte „weitergefördert werden“. Konkreter wird es leider nicht. Mit einem „Wohnungsbau-Turbo“ will die Koalition außerdem der Not auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken und auch „Mittel für barrierefreies, altersgerechtes Wohnen“ zur Verfügung stellen. Doch wie wird sichergestellt, dass genügend dieser neugebauten Wohnungen senioren- und behindertengerecht sind? Konkreteres findet sich auch dazu nicht im Koalitionsvertrag. Zwar existieren Förderprogramme, etwa von der KfW-Bank, um Bestandswohnungen barrierefrei umzubauen. Doch Umbauten sind oft teurer und baulich begrenzt – günstiger ist es, Barrierefreiheit gleich beim Neubau zu planen. Auch das Wohnumfeld muss barrierefrei sein, wenn ältere Menschen aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollen. Defekte Aufzüge, enge oder zugestellte Wege, unübersichtlicher Verkehr und unzuverlässiger Nahverkehr erschweren ein selbstbestimmtes Leben im Alter – oft ebenso sehr, wie die Wohnung selbst.
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