Die mit Abstand schlechtesten Argumente gegen den Bau von Moscheen in deutschen Städten offenbaren bei denen, die sie formulieren, vor allem ein mangelhaftes Demokratieverständnis – völlig verkannt werden in diesem Zusammenhang genau jene aufklärerischen Werte von Pluralität und Meinungsfreiheit, auf die sich unsere Gesellschaft, allen Unkenrufen zum Trotz, erfreulicherweise verständigt hat. Das lässt tief blicken, aber alles der Reihe nach.
Das beliebteste Argument dieser Art basiert auf einer rhetorischen Gegenfrage und lautet: Warum sollen wir die Errichtung von Moscheen erlauben, wenn doch andere Länder, beispielsweise auch die Türkei, konfessionellen Minderheiten nicht in diesem Maße Freiheiten einräumen. Das klingt, wie häufig bei populistischen Positionen, für das empfängliche Ohr nachvollziehbar – warum bestimmten Gruppen großzügig Rechte einräumen, wenn diese Gruppen uns diese Rechte verweigern würden?
Dass genau dies aber der entscheidende Punkt ist, der eine freiheitliche Gesellschaft zu einer solchen macht, wird übersehen. Gerade wenn einmal mehr der angebliche Kampf der Kulturen bemüht wird, als ein Stellungskrieg zwischen Orient und Okzident, müsste es, wenn man es denn wenigstens ernst meinen würde, genau um die Verteidigung dieser Freiheitswerte gehen. Es würde heißen: Ja, vielleicht genießen Christen in muslimischen Gesellschaften nicht dieselben Rechte wie Moslems in westlichen, aber genau dieses Prinzip der unterschiedslosen Gleichberechtigung ist der Kern dessen, was wir hier im „Abendland“ zu verteidigen hätten.
Aber das verlangt offenbar eine ganze Menge Abstraktionsvermögen, bzw. wie eingangs schon erwähnt, offenbart sich hier ein großes Missverständnis des demokratischen Prinzips. Gleichberechtigung bedeutet eben nicht, diese nur unter bestimmten Bedingungen zu gewähren, es bedeutet, sie immer und unterschiedslos gelten zu lassen. Ginge Pegida für diese Werte auf die Straße, hätten sie genau genommen keinen Grund mehr, auf die Straße zu gehen – ein Paradox.
Überraschenderweise aber verfängt Populismus nun mal wegen seiner vermeintlich bestechenden Logik, dagegen ist kein kurzfristiges Kraut gewachsen. Höchstens ein langfristiges, aber da sind wir schon wieder mittendrin in der Debatte um soziale Gerechtigkeit – das führt an dieser Stelle natürlich viel zu weit.
Obwohl, wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß sich eine Politikverdrossenheit breitgemacht hat, die ihrerseits zu einem manifesten Erodieren unseres demokratischen Fundamentes beiträgt, wenn in Wohntürmen am Standrand nur noch 40% der Bewohner überhaupt wählen gehen, während in Villenvierteln zuverlässig 90% zu den Urnen gehen, dann sollte es niemanden wundern, wenn unter abstrakten Parametern wie Freiheit und Gleichheit nichts mehr verstanden wird. Der Politologe und Armutsforscher Christoph Butterwege von der Universität Köln spricht in diesem Zusammenhang schon seit einigen Jahren von einer „Krise des Repräsentativsystems der repräsentativen Demokratie“.
Wenn wir also wollen, dass Menschen verstehen, dass der Bau einer Moschee – wie auch immer man zur Religion insgesamt steht – auf einem fundamentalen demokratischen Prinzip beruht, dann sollten wir in insbesondere darauf achtgeben, dass es nicht immer größer werdende Teile in der Gesellschaft gibt, die mit Demokratie insgesamt nichts mehr zu tun haben wollen. Dann nämlich gehen die Probleme erst richtig los.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Kanalisierte Wut
AktivistInnen von „12thMemoRise“ zeigen „Glaubenskrieger“ im Filmstudio Glückauf in Essen – Foyer 07/17
„Wer im Namen Gottes tötet, ist kein gläubiger Moslem“
Mouhanad Khorchide über einen fortschrittlichen Islam – Spezial 03/17
Liebe, Lust und ungeübte Knutscher
Navid Kermani liest in der Christuskirche am 9.12. – Literatur 12/15
Zusammen HALT !
BIRLIKTE kehrt mit ungebrochener Lebensfreude am Sonntag nach Köln zurück
Es kann nicht nur einen geben
Die vielen Stimmen des Islam – THEMA 06/15 MEINE MOSCHEE
„Noch sind die Moscheen Fremdkörper in den Städten“
Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Lale Akgün fordert einen liberalen Islam – THEMA 06/15 Meine Moschee
Einer von vielen
Raif Badawi ist immer noch in Haft, die Befreiungskampagne geht weiter
Konflikt-Kanzler
Intro – Friedenswissen
Streiken statt schießen
Teil 1: Leitartikel – Das im Kalten Krieg entwickelte Konzept der Sozialen Verteidigung ist aktueller denn je
„Als könne man sich nur mit Waffen erfolgreich verteidigen“
Teil 1: Interview – Der Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung über waffenlosen Widerstand
Widerstand ohne Waffen
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und ihr Landesverband NRW
Herren des Krieges
Teil 2: Leitartikel – Warum Frieden eine Nebensache ist
„Besser fragen: Welche Defensivwaffen brauchen wir?“
Teil 2: Interview – Philosoph Olaf L. Müller über defensive Aufrüstung und gewaltfreien Widerstand
Politische Körper
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Friedensbildungswerk setzt auf Ganzheitlichkeit
Unser höchstes Gut
Teil 3: Leitartikel – Von Kindheit an: besser friedensfähig als kriegstüchtig
„Das ist viel kollektives Erbe, das unfriedlich ist“
Teil 3: Interview – Johanniter-Integrationsberaterin Jana Goldberg über Erziehung zum Frieden
Platz für mehrere Wirklichkeiten
Teil 3: Lokale Initiativen – Kamera und Konflikt: Friedensarbeit im Medienprojekt Wuppertal
Kinder verkünden Frieden
Das Projekt „Education for a Culture of Peace“ – Europa-Vorbild: Zypern
Brauerheer statt Bundeswehr
Wie ein Biertornado die Gewaltspirale aus dem Takt wirft – Glosse
Kulturschock
Intro – Kunst & Kultur
Unbezahlbare Autonomie
Teil 1: Leitartikel – Die freie Theaterszene ist wirtschaftlich und ideologisch bedroht
„Ich glaube schon, dass laut zu werden Sinn macht“
Teil 1: Interview – Freie Szene: Die Geschäftsführerin des NRW Landesbüros für Freie Darstellende Künste über Förderkürzungen
Zwischen Bar und Bühne
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend
Inspiration für alle
Teil 2: Leitartikel – Wer Kunst und Kultur beschneidet, raubt der Gesellschaft entscheidende Entwicklungschancen
„Mich hat die Kunst gerettet“
Teil 2: Interview – Der Direktor des Kölner Museum Ludwig über die gesellschaftliche Rolle von Museen