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Mouchanad Khorchide setzt sich für einen aufgeklärten Islam ein
Foto: Nina Hensch

„Wer im Namen Gottes tötet, ist kein gläubiger Moslem“

24. März 2017

Mouhanad Khorchide über einen fortschrittlichen Islam – Spezial 03/17

Die Reihen des Medienforums des Bistums Essen sind gut gefüllt. Stühle dicht an dicht. Star des Abends ist Mouhanad Khorchide. Der Islamwissenschaftler und Soziologe liest aus seinem Buch „Gott glaubt an den Menschen – Mit dem Islam zu einem neuen Humanismus“, erschienen im Herder Verlag 2015.

Der Terror des IS, die Anschläge von Paris – Attentate, im Namen Gottes verübt. „Von Menschen, die sich als Anwälte Gottes verstehen“, so Khorchide. „Nur, wozu führt das, wenn jeder im Namen seiner Religion töten darf? Dann gibt es am Ende keine Menschen mehr.“ Der Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Münster meint, vor allem der IS werfe in der islamischen Welt heikle Fragen auf. Anhänger des IS beten fünf Mal am Tag, bezeugen die Glaubenssätze des Koran – dann sind sie doch gläubige Muslime, könnte man meinen. „Nicht, wenn sie anderen Menschen das Leben nehmen“, sagt Khorchide entschieden. Das stehe im starken Widerspruch zu einem liebenden Gott.

Mit seiner Haltung findet der promovierte Soziologe nicht nur Zuspruch. Denn Khorchide appelliert an die Eigenverantwortung jedes gläubigen Moslems. Dabei entscheidend: Vom Monolog in den Dialog zu Gott zu wechseln. Den Koran nicht wortwörtlich zu verstehen. Sondern die Prinzipien zu erkennen, die dahinter liegen. Den Koran vor dem Hintergrund seiner Zeit zu lesen, denn der Zeitgeist der Epoche, in dem er entstanden ist, hat die Texte mit geprägt. „Ein Maulesel ist heute einfach nicht mehr das adäquate Transportmittel, auch, wenn er vielleicht einmal als bequem galt“. Damit wäre der Weg von Münster nach Essen sicher etwas beschwerlicher gewesen. Khorchide nimmt dann doch lieber den Zug.

Auf die Frage, wie der Koran mit dem Thema Gewalt umgehe, sagt der Islamwissenschaftler: „Wir prangern heute an, dass in früheren Jahrhunderten körperliche Gewalt als Sanktion an der Tagesordnung war. In 200 Jahren wird man uns rückblickend für barbarisch halten. Weil wir Kriminelle in Gefängnisse stecken, um sie zu bestrafen.“ Für die Zukunft prognostiziert er ganz andere Präventionsmaßnahmen, die vielleicht bereits im Vorfeld verhindern, dass es überhaupt zu Gewalttaten kommt.

Für den Soziologen liegt der Ursprung der Gewalt in einem Islamverständnis, in dem Gott sich um sich dreht. Das Verständnis von Gott und das Verhältnis zu Gott zu hinterfragen, ist sein Appell an die muslimische Gemeinschaft. Dass Antworten schon feststehen und nicht mehr diskutiert werden, davor warnt er. „Das führt nur in eine Sackgasse. Und verhindert, dass sich der Islam entwickeln kann.“ Khorchide spricht von Ländern, in denen der Koran dafür genutzt wird, Menschen zu kontrollieren, sie für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren.

„Wie sieht der Islam in 20 Jahren aus?“ wird der Islamwissenschaftler von einer Frau aus dem Publikum gefragt. Das zu beantworten, fällt ihm gar nicht so leicht. Der Wandel finde bereits statt, doch das brauche Zeit, so der Soziologe. Nicht zuletzt bemerkt Khorchide das an seinen Studenten. „Ich dachte, Gott hasst mich“, hat ihm einer mal gestanden. Weil er etwas nicht getan hat und nur an die Konsequenzen im Jenseits denken konnte. „Er konnte sich nicht frei fühlen, seine wahre Spiritualität entwickeln. Zu verstehen, dass Gott ihn immer liebt, auch, wenn er Fehler macht, das war eine wichtige Erkenntnis“, so Khorchide.

Er möchte einen Weg ebnen zu einem islamischen Humanismus. Mit einem Gott, der an den Menschen glaubt. Bereitet Khorchide damit einen Weg hin in eine arabische Aufklärung?

Nina Hensch

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