Das Gemüse ist bio, die Wurst vegan, der Kaffee fairtrade. Begriffe, die vor wenigen Jahren noch belächelt wurden, haben es in der jüngeren Vergangenheit nicht nur in unser Vokabular, sondern auch auf unseren Küchentisch geschafft. Für viele sind Tofuschnitzel, Sojamilch oder Yogi-Tee so selbstverständlich, dass sie kaum mehr in Frage gestellt werden. Die Idee hinter diesen Produkten unterstützt eine Lebensweise, die fernab von Massenkonsum Gutes für möglich hält und sich billigen Produktionsprozessen verwehrt. Aber auch Nachhaltigkeit verspürt den Drang nach Abwechslung und neuen Inspirationen. Da kam der Heldenmarkt, der am vergangenen Wochenende in der Bochumer Jahrhunderthalle stattfand, gerade recht. Er zeigte, was es Neues gibt – und wie vielseitig Nachhaltigkeit sein kann.
Unter dem Motto „Egal war gestern!“ haben die Veranstalter ein buntes Produkt-Line-Up zusammengestellt. Ihre Auswahl unterstreicht gleichzeitig, was alles nicht egal sein sollte. Das Angebot der mehr als 60 Aussteller reicht vom biologischen Lieferservice Flotte Karotte über grüne Versicherungen und Ökostrom bis hin zu individuellen Wohnkonzepten. Zum ersten Mal wird hier auch die ExtraVurst präsentiert, eine bio-vegane Sondermesse, die zum Probieren einlädt. Die Möglichkeiten des alternativen Lebens sind also viele und machen neugierig. Dabei ist der Heldenmarkt weit mehr als ein reines Geschmackserlebnis. Neben Sojawürstchen, fairtrade-Schokolade und Reformhaus-Nudeln finden sich auch Ausnahmestände wie der Erlebnisparcours der Christoffel-Blindenmission. Hier wird die Alltagswelt eines Blinden erfahrbar gemacht und Nachhaltigkeit sozial definiert. „Für uns bedeutet der bewusste Umgang mit sich und der Welt auch einen bewussten Umgang mit anderen Menschen“, erklärt eine Mitarbeiterin. Die gleiche Aufmerksamkeit, die sonst zu schützende Tiere, Pflanzen und Landstriche erfahren, soll nicht beim Mitmenschen aufhören.
Der Heldenmarkt ist somit nicht nur eine Anlaufstelle für diejenigen, die sich in der veganen Szene bereits sicher bewegen, sondern auch für all jene, die Inspirationen und Informationen zu einem besseren Leben suchen. Bereits zum vierten Mal findet er in Bochum statt. Bastian Gartelmann vom Heldenmarkt-Team zeigt sich zufrieden: „Das Interesse ist seit Jahren konstant, daher hoffen wir, dass es sich bei der Nachfrage nach alternativen Lebensweisen nicht um einen Trend handelt, sondern um etwas, das bleibt.“ Das verdeutlicht auch das Vortragsprogramm dieser zwei dichten Tage. Ernährung, alternative Energien und Umwelt stehen genauso im Fokus der Vortragenden wie etwa die Frage nach Jobmöglichkeiten für Vegetarier und Veganer oder etwa der moralische Umgang mit Geld. Die Jahrhunderthalle fügt sich dabei perfekt in die Thematik dieser Messe, ist sie doch, streng genommen, ein Paradebeispiel für Upcycling.
Und noch etwas anderes wird hier deutlich: Bio und Nachhaltigkeit sind nicht immer eine Frage des Einkommens, denn auch im Kleinen kann Großes geschaffen werden. So funktioniert die Initiative foodsharing ganz ohne Geld. Wer in Urlaub fährt, zu viel im Kühlschrank hat oder den Apfel mit der Delle nicht mehr essen will, kann ihn in der Alsenstraße 27 abgeben. Wer hingegen auf der Suche nach Lebensmitteln ist, kann dort mitnehmen, was er oder sie braucht. Geld ist ein Thema, das den diesjährigen Heldenmarkt auch in anderen Zusammenhängen begleitet. So informiert urgewald e.V. über die Machenschaften großer Banken und Investoren. „Es gibt Leute, die schon vieles richtig machen: Sie kaufen Lebensmittel aus fairem Anbau, fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit, leben fleischarm – und haben trotzdem ein Konto bei der Deutschen Bank“, erklärt Kathrin Petz. Derzeit sammelt sie Unterschriften gegen das systematische Sprengen von Bergspitzen im nordamerikanischen Appalachen-Gebirge, an dem auch deutsche Unternehmen beteiligt sind.
Besucher des diesjährigen Heldenmarkts verlassen das Gelände des Bochumer Vereins mit den Taschen voller Prospekte, Blumensamen und neuen Ideen. Vor einem Jahr noch äußerte Initiator Lovis Willenberg die Hoffnung, dass solche Märkte eines Tages nicht mehr notwendig seien. Dieser Wunsch bleibt wünschenswert – und doch wäre es schade um das Erlebnis, das eine Messe wie diese darstellt.
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