Noch einmal inszeniert der 87-jährige Ken Loach („Ich, Daniel Blake“) mit „The Old Oak“ ein Drama von unten. Ein filmischer Appell an die Solidarität und das Miteinander, eine Utopie der Mitmenschlichkeit. Zentrum des Geschehens: TJ Ballantynes (Dave Turner) Pub „The Old Oak“, der den Stammgästen heilig ist, in einer ehemaligen Bergbaugemeinde im Norden Englands. Heute herrschen hier Arbeitslosigkeit und Werteverfall. Dann ziehen syrische Flüchtlinge in die Stadt, wo sie rasch als Sündenböcke herhalten müssen. Ballantynes will die junge Yara (Ebla Mari) und ihre Familie unterstützen – und steht schon bald zwischen den Fronten. Loach inszeniert mit Herz und Seele gegen Hass und Vorurteil. Und er zeichnet gute Menschen, ohne sie als Gutmenschen zu verklären.
Estland. Rund ein halbes Dutzend Frauen trifft sich in den unterschiedlichsten Jahreszeiten in einer Sauna, um dort über ihr Leben und ihre Gefühle zu sprechen. Nur von zwei Saunagängerinnen zeigt Anna Hints in ihrem Langfilmdebüt „Smoke Sauna Sisterhood” das Gesicht. Alle anderen bleiben anonym, was vielleicht der Tatsache geschuldet ist, dass sie sich hier nicht nur körperlich entblößen, sondern auch einen Seelenstriptease hinlegen, der nicht immer einfach zu verkraften ist. Die ersten Gespräche in der Holzhütte sind noch recht unverfänglich, wenn es um erste Liebe, erste Menstruation oder komplizierte Beziehungsfragen geht. Aber Anna Hints hat ihren Film so zusammengestellt, dass die Themen im Laufe des Films immer tiefer gehen und teilweise auch unangenehmer werden. Dann stehen die Probleme eines lesbischen Outings oder die Vergewaltigung einer der Frauen im Mittelpunkt, die zu diesem Zeitpunkt noch eine Teenagerin war. Auch Abtreibungen und eine Totgeburt kommen zur Sprache.
Frankreich 1789: Revolution! Das Volk verspottet die verurteilten Royalen jubelnd auf ihrem Weg zum Schafott – Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) arbeitet derweil auf seine Beförderung hin. In der von den Engländern besetzten Hafenstadt Toulon setzt er eine erste Marke als taktisch versierter Stratege. Napoleon wird Brigadegeneral. Schon bald an seiner Seite: seine große Liebe Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby), die dem kleinen Mann mit großem Ego auf Augenhöhe begegnet. Während die von ihm herbeigesehnte Vaterschaft auf sich warten lässt, absolviert der berühmte Korse seine Feldzüge. Von Toulon bis Waterloo. Ridley Scott (85, „Alien“, „Blade Runner“) haut noch einmal richtig einen raus. Sein „Napoleon“ ist ein opulent inszenierter, temporeicher und rhythmisch geschliffener audiovisueller Rausch, jedes Bild phantastisch komponiert, mit mitreißenden Schlachtszenen, mit Herz und mit Wucht, mit Gewicht und Humor.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Oliver Parkers Tragikomödie „In voller Blüte“, Anna Rollers Debürdrama „Dead Girls Dancing“, Livia Theuers Filmkunstkino-Geschichte „Das Kino sind wir“ und Milena Aboyans Selbstbestimmungsdrama „Elaha“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Glück gehabt?
Die Filmstarts der Woche
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 1: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Tastenlegende auf Tournee
Herbie Hancock in der Philharmonie Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Klänge der Gegenwart
Konzertreihe mex im Künstlerhaus Dortmund – Musik 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Schuld und Sadismus
Diskussion am KWI Essen über Lust an der Gewalt – Spezial 07/25
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Chaos
NRW kürzt bei freien Tanzgruppen – Tanz in NRW 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Kinofest-Test
Lünen als Versuchslabor für die Kinozukunft – Vorspann 07/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
Impossible Dortmund
Wilco im Dortmunder JunkYard – Musik 06/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
Hab’ ich recht?
Diskussion über Identität und Wissen im KWI Essen – Spezial 06/25
Kriegstüchtig und friedfertig
Diskussion über europäische Sicherheitspolitik in Dortmund – Spezial 06/25
Lebendige Musikgeschichte
Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller in Köln – Klassik am Rhein 06/25
Der Engel der Geschichte
„Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Gegen die Stille
Das 54. Moers-Festival – Musik 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25