Stummfilm
FSK 0
Bang! You?re dead!
juggernaut (162), 22.01.2006
Stummfilm-Fans, die jeden Sommer zur Bonner Universität pilgern, um dort open air Filmklassiker und obskure Ausgrabungen mit Live-Musik zu erleben, müssen nicht mehr das ganze Jahr darauf warten. In Köln gibt es seit November 2005 im Kinosaal des Museum Ludwig einmal monatlich ein ?Silent Movie Theatre?, das der Filmkritiker Daniel Kothenschulte ins Leben gerufen hat.
Im Mittelpunkt des Programms vom letzten Freitag (20.2.06) stand das klassische US-amerikanische Genre, der Western. Nach einer launigen Einführung von Kothenschulte, der übrigens in Personalunion auch noch Kasse, Getränkeverpflegung und Klavierbegleitung besorgt, war zunächst der Ur-Western ?The great train robbery? aus dem Jahr 1903 zu sehen. Mit hölzerner Schauspielerei, die so knirscht, dass es schon wieder lustig ist, und einer Einstellung, die wohl jeder aus den ?Western von gestern? im Fernsehen kennt: Der Pistolenschuss in die Kamera und ins Publikum.
Anschließend wurden Western-Kurzfilme aus einer in einem Nachlass in den USA gefunden Rolle gezeigt. Der Star dieser Streifen heißt William S. Hart, ein früher Prototyp des Unglücksraben, der nie das Mädchen abkriegt ? sozusagen ein filmischer Ahne von Jack Lemmon ? , aber ehrlich, aufrecht und ?Every inch a man? ist.
Zwischen den Filmen eingestreute zeitgenössische Wochenschau-Schnipsel brachten noch einmal Promis wie Theodore Roosevelt, ?Buffalo Bill? William Cody, Enrico Caruso, die Gebrüder Wright und auch den hiesigen Kaiser Wilhelm Zwo auf die Leinwand, nebst Szenen aus dem amerikanischen Alltag von Anfang des letzten Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg. Angesichts der zunehmenden Gewalt und Gier dieser Zeit steht am Schluss des Zusammenschnitts auf einem Titel die Frage geschrieben ?Was wird die Zukunft bringen?, gefolgt von einem bildfüllenden Fragezeichen. Zukunftsangst und ihre effektvolle Visualisierung ist also keineswegs eine exklusive Erscheinung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Und historische Wochenschauen sind immer noch eindrucksvoller als jede ?Living History?.
Das cineastische Schmankerl kam dann, wie es sich gehört, zum Schluss: Buster Keaton in ?Go West?. Den muss man gesehen haben. Das perfekt choreografierte Chaos, das ?Cowboy? Keaton mit Kuh Georgina und einer tausendköpfigen Rinderherde in den Straßen und Geschäften von Los Angeles anrichtet, ist immer noch zum Schreien komisch. Alles on location, (fast) ohne Tricks, Netz und doppelten Boden ? fantastisch! Solchen Slapstick und solche Gags mit Viechern kann man heute kaum noch bringen; Keatons Film verdeutlicht mit Nachdruck, dass die Originale einfach unschlagbar sind.
Starker Schlussapplaus für Film und Kritiker.
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