
Lunchbox
IND/D/F 2013, Laufzeit: 105 Min., FSK 0
Regie: Ritesh Batra
Darsteller: Irrfan Khan, Nimrat Kaur, Lillete Dubey
>> www.lunchbox-derfilm.de/
Poetische Briefromanze
henkelmann-Romanze
"The Lunchbox" von Ritesh Batra
Der Henkelmann hatte vor einigen Jahrzehnten auch in Deutschland noch eine rege Tradition und diente einer ganzen Menge arbeitender Männer als mittägliche Versorgung mit Köstlichkeiten aus der ehelichen Küche. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem Schnellrestaurants und Firmenkantinen wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, hat diese Sitte längst an Bedeutung verloren. Junge Menschen dürften hierzulande kaum mehr wissen, was ein Henkelmann überhaupt ist. In Indien hingegen scheint dessen Tradition nach wie vor zu bestehen, denn die Handlung von „Lunchbox“ gründet sich auf eben jene mittägliche Versorgung am Arbeitsplatz, und wie daraus sogar eine Liebesgeschichte entstehen kann. Witwer Saajan (Bollywood-Superstar Irrfan Khan) lässt sich tagtäglich mit Speisen aus einem Restaurant im Büro versorgen, die in Henkelmännern geliefert werden, genau wie die von Ehefrauen zubereiteten Speisen seiner Kollegen. Dafür gibt es ein ausgeklügeltes Netz aus Dabbawallas, die tausende solcher Henkelmänner oder Lunchboxen tagtäglich zwischen Koch und Empfänger hin- und hertransportieren. Eines Tages erhält Saajan versehentlich den Henkelmann, den Ila (Nimrat Kaur) eigentlich für ihren Ehemann mit Köstlichkeiten bestückt hatte. Mit den Rezepten ihrer Nachbarin will sie die Leidenschaft zurück in ihre Ehe bringen, beglückt damit aber unfreiwillig einen völlig Fremden. Schnell schon tauschen die beiden mitsamt den Essensschüsselchen auch Briefe miteinander aus, in denen sie sich gegenseitig aus ihrem Leben berichten und ihr Innerstes voreinander ausbreiten.
Ein interessanter und spannender Ansatz für eine ungewöhnliche, platonisch ablaufende Liebesgeschichte, wie man sie in dieser Form bislang noch nicht oft gesehen haben dürfte. Auch für einen indischen Film ist Ritesh Batras Langfilmdebüt eher ungewöhnlich ausgefallen. Bollywood steht hierzulande im Ruf, laut, schrill und farbenfroh zu sein. „Lunchbox“ hingegen ist ein sehr ruhiger Film, der viel mit leisen Tönen arbeitet und ein gänzlich anderes Bild der Millionenmetropole Mumbai entwirft. Hier wird vielmehr ein Alltag bebildert, der in weiten Teilen unseren westlichen Gewohnheiten gar nicht so unähnlich ist. Batras Geschichte ist zwar auf drei zentrale Figuren heruntergebrochen (neben dem Liebespaar nimmt noch Saajans neuer Mitarbeiter Shaikh eine wichtige Rolle ein), kann also nicht in allen Belangen als Abbild des gesamtindischen Lebensalltags gelesen werden. Dennoch gewährt der Film so manchen Einblick, wie man ihn bislang noch nicht in das Indien unserer Tage erhalten hatte. Darüber hinaus ist „Lunchbox“ mit einer ganzen Reihe gelungener filmischer Raffinessen gespickt, seien es ausgeklügelte Kameraeinstellungen, intelligente Montagen und sehr subtil eingeflochtene Anspielungen und Kommentare, die zu entdecken große Freude bereitet.

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