
Jonas (2012)
D 2011, Laufzeit: 106 Min., FSK 6
Regie: Robert Wilde
Darsteller: Christian Ulmen
>> www.jonas-derfilm.de
Unterhaltsames, großartig umgesetztes Experiment
Vollimpro
„Jonas“ von Robert Wilde
Mit der Hauptrolle in Leander Haußmanns „Herr Lehmann“ startete der ehemalige MTV-Moderator Christian Ulmen 2003 auch im Kino durch. Die Figur des liebenswerten Schluffis sollten auch die anderen Rollen prägen, die Ulmen in Spielfilmen übernahm: Von „FC Venus“ über „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ bis hin zu „Männerherzen“. Das zweite Standbein, mit dem sich Ulmen wachsender Beliebtheit erfreute, waren die Formate, in denen er seine Figuren auf die Realität losließ, sei es im Fernsehen („Mein neuer Freund“) oder im Internet (Ulmen.tv): Ob als Uwe, Maurice, Alexander von Eich oder Knut – Ulmen offenbarte sich hier nicht nur als vielseitiger, glaubwürdig agierender Undercover-Darsteller, sondern auch als souverän in Sachen Improvisation. Irgendwann dachte Ulmen darüber nach, was er noch machen könnte. Er erinnerte sich an seine Alpträume, in denen er noch einmal das Abitur machen musste. Die Idee zu einem filmischen Experiment namens „Jonas“ war geboren.
Das 36jährige Multitalent schlüpfte für sechs Wochen in die Rolle des 18jährigen Jonas. Ein uneinsichtiger Tunichtgut, der zwar nicht auf den Kopf gefallen ist, dem es aber an Disziplin fehlt. Ambitioniert, durchaus talentiert (außer in Mathe), aber nur wenig zielgerichtet. Ulmen besuchte die Paul Dessau Gesamtschule in Zeuthen, Brandenburg. Ziel: eine letzte Chance auf die Mittlere Reife. Zeit: sechs Wochen. Was von Anfang an beeindruckt, ist die Maske, die Ulmen hier so glaubwürdig verjüngt hat. Glattrasur, Puder und Ice-Pads unter den Augen machten das kleine Wunder möglich und ebneten dem Unterfangen den Weg, den Rest machte das authentische Spiel des Schauspielers.
Trotzdem – ist das Gesicht des Formwandlers inzwischen nicht zu bekannt? Würden seine Mitschüler ihn nicht erkennen? Ulmen schiebt derartige Zweifel beiseite: „Bereits zu den Dreharbeiten zu „Mein neuer Freund“ habe ich festgestellt, dass es fürs menschliche Gehirn schlichtweg unmöglich ist, dauerhaft zwischen zwei Persönlichkeiten – dem Schauspieler und dem dargestellten Charakter – zu differenzieren. Diese intellektuelle Leistung kann ein Mensch nur ein paar Minuten vollbringen, danach nimmt er die Person wahr, die ich darstelle.“ Eine Wahrnehmung, der man als Kinozuschauer nicht zwingend aufsitzt – was den Spaß allerdings keine Sekunde trübt. Wenn Jonas an der Tafel den Logarithmus erklären soll, wenn er sich spitzbübisch Wortgefechte mit den Pädagogen liefert, eine Band-AG ins Leben ruft oder Nachhilfestunden nimmt, dann durchlebt er nicht nur den (Alp-)Traum eines jeden Ex-Schülers. Ein wenig wünscht man sich, vielleicht ein klein bisschen Jonas gewesen zu sein, so charmant, frech, bohrend, wie der junge Mann hier dem Lehrpersonal entgegentritt. Und nicht zuletzt funktioniert der Versuch schlicht als spannendes, unterhaltsam kurzweiliges Experiment, sowohl im filmischen als auch im psychologischen Sinne. Ulmens Alpträume sind übrigens nach den Dreharbeiten verschwunden. Und vielleicht wirkt der Film ja auch therapeutisch auf den einen oder anderen Kinobesucher.
(Hartmut Ernst)

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