Gigante
Uruguay/Deutschland/Argentinien 2009, Laufzeit: 84 Min., FSK 6
Regie: Adrián Biniez
Darsteller: Horacio Camandule, Leonor Svarcas, Néstor Guzzini, Federico Garcia, Fabiana Charlo, Ernesto Liotti, Diego Artucio
Ein schüchterner Wachmann verliebt sich per Überwachungsmonitor in eine Putzfrau, ringt mit seinen Emotionen und dem fehlenden Mut, ihr direkt gegenüberzutreten. Sein Weg der Annäherung ist lang, eigenwillig und einnehmend.
Der stämmige, stoische Jara arbeitet des Nachts als Wachmann im Kontrollraum eines Supermarkts in Montevideo. Vor den Monitoren löst er Kreuzworträtsel, trinkt Mate und hört seine Lieblingsmusik über Kopfhörer, während er das Putzpersonal im leeren Verkaufsraum mit kleinen Diebstählen davonkommen lässt. Erst als er die neue Putzfrau Julia entdeckt, werden die Bilder der Überwachungskameras für ihn wirklich interessant. Seine Neugier für die junge Frau, die ihre Arbeit etwas ungeschickt und wie er mit Kopfhörern im Ohr verrichtet, ist geweckt. Jara beginnt, sie auch nach dem gemeinsamen Schichtende zu beobachten, ihr zu folgen, aus der Deckung heraus ihre Nähe zu suchen und sie stückweise kennenzulernen. Er wird ihr Schatten, ihr Schutz- und Racheengel.
„Gigante“ ist eine minimalistisch angelegte, präzise Studie über einen schüchternen Mann, der sich verliebt und seinem Begehren zunächst mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln begegnet. Die Filmkamera beobachtet Jara, wie er, der auf Bildschirme Trainierte, seine Angebetete beobachtet. Dabei ist der Grat zwischen reiner Faszination und beginnender Obsession durchaus schmal. Dass Jara selbst sich gleichfalls über Monitore verrät und Julia somit sein Treiben offenbart, ist nicht nur Teil der eingesetzten Erzähltechnik des Films, sondern auch ein Beispiel für seine dezent humorvolle Erzählhaltung. Sparsam in Dialogen und Handlung ist „Gigante“ ein Film, in dem nur scheinbar wenig passiert. Spielfilmdebütant Adrián Biniez lässt seine Bilder sprechen, setzt auf Gesten und Mimik, auf innere Bewegungen, die aufmerksames Betrachten erfordern und eine Menge Spielraum für Interpretationen und Gedankengänge lassen. Der Stellenwert technischer Medien im modernen Leben – neben Kameras und Monitoren, Spielkonsolen und Internetkontaktbörsen gehört dazu auch der inzwischen allgegenwärtige Stöpsel im Ohr – wird in verschiedenen Facetten und Ausprägungen beleuchtet, hinsichtlich damit einhergehender Einsamkeit, Entfremdung und Isolation. Aber auch als verbindendes, soziales Element. Zudem kann es durchaus spannend sein, diesen Mann von vergleichsweise gigantischer Statur und in seinem Stärke suggerierenden Heavy Metal-Habit im Stadium des zarten Verliebtseins zu beobachten, das bei ihm mit Scheu und Hilflosigkeit bei der Kontaktaufnahme einhergeht und ihn mehrfach in schmunzelwürdige Verlegenheit bringt. Dass Biniez die dringende Notwendigkeit des direkten menschlichen Kontakts hervorhebt, ist deutlich. Dass seine Geschichte auch einen ganz anderen, ernsteren Weg, in Form der Darstellung eines Stalkers, hätte nehmen können, bleibt ein angedeuteter Aspekt. Bei der Berlinale wurde der in Uruguay lebende, argentinische Regisseur für seine eindrucksvolle kleine Alltagsgeschichte gleich dreifach ausgezeichnet.
(Kirsten Dyrda)
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