Before Sunset
USA 2003, Laufzeit: 80 Min., FSK 0
Regie: Richard Linklater
Darsteller: Ethan Hawke, Julie Delpy, Vernon Dobtcheff, Rodolphe Pauly, Louise Lemoine Torres, Albert Delpy, Diabolo, Marie Pillet
Mit "Before Sunrise" schuf Richard Linklater eine berührende Romanze, die 1995 den silbernen Bären auf der Berlinale einheimste. 2004 knüpft "Before Sunset" konzeptionell wie inhaltlich an seinen Vorgänger an. 80 Minuten Echtzeit rasen an einem vorbei. Neun Jahre später haben die Protagonisten schon ein bedeutendes Stück Leben hinter sich, Sehnsucht und Enttäuschung versteckt sich hinter den ersten gelebten Falten. Die Dialoge wehen einem in einer Natürlichkeit entgegen, die Charaktere wirken so authentisch, einschließlich holpriger, fast peinlicher Unbeholfenheit, dass sich der Zuschauer, der die Rolle des gebannten Beobachters übernimmt, kaum der Identifikation entziehen kann.Linklaters Feststellung, "alles kann dramatisch werden, wenn man es beobachtet", wurde hier einmal mehr erfolgreich umgesetzt. Bereits in seinen beiden ersten Filmen war die Handlung rudimentär, und dennoch verfolgte man gebannt das Geschehen: in "Slacker" zeigt die Kamera scheinbar nach einem Zufallsprinzip zahlreiche Personen für jeweils einige Minuten in einem Zeitraum von 24 Stunden, ähnlich in "Dazed and Confused, wo der Independent-Regisseur erfolgreich das Portrait einer Generation zeichnete. "Before Sunset" besticht vor allem durch seine unaufdringliche Schlichtheit und zeugt von großer Beobachtungsgabe, denn Linklater macht die hauchdünnen Fäden in menschlichen Beziehungen, die unzählig gesponnen werden, spürbar, lässt die alternativen Subtexte in Gesprächen und die Möglichkeiten hinter Handlungen aufscheinen. Alles, was passiert, scheint Zufall, in der Retrospektive jedoch Schicksal zu sein. Linklater hat eine Facette des Menschen durchleuchtet, sein Film ist aber keine spröde Analyse. Vielmehr lässt er die Figuren aus seiner Imagination heraustreten und auf der Leinwand lebendig werden. Der faszinierenden Authentizität der Figuren und dem Anschein von Improvisation liegt eine sehr genaue Drehbuchvorlage zugrunde, an der Linklater und die Hauptdarsteller Julie Delpy und Ethan Hawke gemeinsam gearbeitet haben. Eingeflochten wurden hier auch autobiographische Elemente: Delpy hat sich gerade hauptsächlich der Musik verschrieben und Hawke ist unter anderem auch Autor. Nur so konnte ein Film entstehen, der eigentlich schon neun Jahre andauert und dessen Ende noch nicht absehbar ist.
(Alexandra Kaschek)

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