Der zunächst überraschende Ausstellungstitel „Farbe tanken“ bringt es auf den Punkt. Es gibt kaum einen Maler, der so intensiv, ausschließlich und radikal mit Farbe umgehen konnte wie Rupprecht Geiger (1908-2009). Ein Höhepunkt war 2002 die Einladung des damals bereits 94 Jahre alten Künstlers zur Biennale in São Paulo. Die dortige Ausstellung zeigte, wie sehr seine Kunst über die Zeitlichkeit von Kunststilen erhaben ist, dass sie unmittelbar wirkt und atemlos macht – das ist nun auch im Kunstmuseum Bochum der Fall.
Es ist eine Win-win-Situation, das Kunstmuseum mit seinem phänomenalen Wechselausstellungsbereich bringt die Malereien optimal zur Geltung. Und die Malereien sorgen dafür, dass der Raum in seiner ganzen auratischen Größe deutlich wird. Der Besucher schreitet durch Farbe, die ihn schon von weitem anzieht und umfängt, selbst in heraldische Formen gefasst ist und vor allem als Rot das ganze Spektrum zwischen Warnung und sinnlicher Aufladung bereithält und all diese Referenzen wieder vergessen lässt.
Geiger ist ein Pionier der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits in den Nachkriegsjahren löste er sich von der vertrauten rechteckigen Form des Tafelbildes. Er war Mitbegründer der Künstlergruppe „ZEN 49“, die nach dem Spirituellen der Kunst fragte; dem Münchner Maler selbst gelang dies mühelos. Im Zentrum seines Konzeptes stand die Vergegenwärtigung der Farbe und ihrer Wirkung auf den Betrachter. Anfangs setzte er noch mehrere Buntfarben im Bildfeld zueinander, löste sie buchstäblich von der Fläche. Ab Mitte der 1960er verwendete er die Spritzpistole und erreichte so einen homogenen, nicht zu fassenden Farbauftrag. Seine Recherchen konzentrierten sich bevorzugt auf Rot im Spektrum der Aufhellung und Schattierung. Dazu kam, wie in Bochum zu sehen, etwa das Gelb, vermittelt als Licht, leuchtend und moduliert. Geiger erfand dafür die passenden Formlösungen und setzte seine Bilder aus unterschiedlichen Tafeln zusammen. Hier, im Kunstmuseum an der Kortumstraße, ist diese Malerei sensationell.
„Rupprecht Geiger. Farbe tanken“ | bis 24.9. | Kunstmuseum Bochum | www.kunstmuseumbochum.de
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