Zuhören! Das ist die Aufgabe, die Charlotte Jurk gerne ihren Studierenden der Sozialen Arbeit stellt. Auf die Mensch zugehen. Ihre Bedürfnisse und Sorgen ernst nehmen. „Dann wissen wir, was Hilfsbedürftige benötigen“, so Jurk. Doch so einfach ist das nicht, wie die Hochschullehrerin erzählt: „Für viele Sozialarbeits-Studierende ist es schwierig geworden, einfach zuzuhören.“ Zu stark sei das Verhältnis zu PatientInnen und KlientInnen in den letzten Jahren auseinandergedriftet. „Die Idee zu diesem Buch ist aus einem Gefühl entstanden“, liest Charlotte Jurk aus dem Vorwort von „Entprofessionalisieren wir uns!“. Ein Gefühl der Entfremdung, das sich in einer abstrakten Sprache ausdrückt. „Eine Sprache der Versorgungsindustrie.“
Daher hat Jurk gemeinsam mit dem Theologen und Soziologen Reimer Gronemeyer dieses „kritische Wörterbuch über die Sprache in Pflege und Sozialer Arbeit“, so der Untertitel, herausgegeben. An diesem Abend las sie im Bahnhof Langendreer Auszüge und diskutierte mit dem Publikum.
Ausgangspunkt der Kritik (und Analyse): Die Sorge um den Anderen – die eigentliche Aufgabe in der Pflege und Sozialen Arbeit – wandelt sich zunehmend in einen verfahrenstechnischen Prozess. Eine Professionalisierung, die den Mechanismen des Marktes gehorcht. „Die Sozialen Berufe haben sich zu Tode professionalisiert“, sagt Jurk. Der Grund: Anpassung an das Management, Rationalität statt Emotionalität. Bis hin zur Normierung von Abläufen und Fortbildungen. Und eine wichtige Rolle in dieser Ökonomisierung spiele die Sprache. Worte aus der Wirtschaft, der Warenwelt bestimmen die zwischenmenschliche Interaktion. Krankenhäuser, Pflegeheime und andere soziale Einrichtungen verwenden Begriffe wie Kompetenz, Kundenorientierung, Effizienz oder Angebot. Letzterer verdeutliche die Ökonomisierung der Fürsorgearbeit sehr konkret: Statt um eine Geste, in der die Hand gereicht wird, gehe es hier um Kalkül und Geschäft.
Diese Plastikwörter aus der industriellen Produktion, wie es im Vorwort heißt, klingen nicht immer negativ. Ein Beispiel ist der Begriff der Inklusion. Reimer Gronemeyer, der an diesem Abend nicht anwesend sein konnte, hat in dem Wörterbuch einen Beitrag dazu geschrieben, den Charlotte Jurk vorliest. Inklusion bedeute Einschließung. Es stehe für ein System, in dem alles inkludiert wird. „Wer will eingeschlossen sein in einer Welt, in der es kein draußen gibt?“
Doch gibt es konkrete Ansätze, die Entfremdung zu überwinden? „Der Sprache bewusst zu werden, wäre für mich schon ein erster Schritt“, erklärt Jurk. Kleinstarbeit, die den Weg zurück zum Anderen im Dickicht technokratischer Sprache wieder freigraben soll. „Es sind diese kleinen Räume, die tagtäglich freigeschaufelt werden“, so die Sozialarbeiterin. Mit dem Wörterbuch haben sie diese sprachliche Kleinstarbeit begonnen. Auch damit es bald nicht mehr so schlimme Wörter gibt wie: Kompetenzorientierungskompetenzen.
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