Mit Eija-Liisa Ahtila gibt das Lehmbruck Museum einer der bedeutendsten Videokünstlerinnen die Möglichkeit, ihr Schaffen seit den 1990er Jahren in einem repräsentativen Einblick vorzustellen: von frühen 90-Sek.-Spots auf Schwarz-Weiß-Monitoren über auf mehrere Großleinwände projizierte Videoarbeiten und selten ausgestellte Haus-Skulpturen bis hin zu zwei ganz neuen Werken, mit denen sie formal, inhaltlich und intentional neue Wege beschreitet.
Die finnische Künstlerin (geb. 1959) hatte Ende der 1990er Jahre eine völlig neue Bildsprache entwickelt, die ihre Reputation in der internationalen Kunstwelt begründet: raumgreifende Videoinstallationen, die nicht linear, sondern assoziativ erzählte Geschichten in unterschiedlichen Bild-/Tonsequenzen zeitgleich über mehrere Leinwände verteilt zeigen. Das innovative, frei bestimmte Filmerlebnis regt zum Standpunktwechsel an, räumlich wie gedanklich.
Ahtilas Film „Consolation Service“, präsentiert 1999 auf der Biennale von Venedig und nun in einem separaten Kabinettraum, setzt in der Ausstellung den Auftakt: die Trennungsgeschichte eines jungen Elternpaares – ein Psychodrama auf Split-Monitor. Hier die Frau, dort der Mann, nur Form und Inhalt gehen Hand in Hand. In „The House“ (2002), Beitrag der Documenta 11, wird eine junge Frau von Tieren und unerklärlichen Geräuschen in ihrem Zuhause heimgesucht. Alles scheint durchlässig, sagt sie, verdunkelt schließlich die Räume, schwebt über drei Leinwände frei hinaus durch ihren Garten und scheint insgesamt nun ganz gut zurechtzukommen in ihrer Welt. Die befreiende Erfahrung überträgt sich auf den Videobetrachter. Wahn als ebenbürtige Weltsicht – mit sympathischer Empathie und ohne Deutung oder Abwertung – stellt Ahtila auch in der Rauminstallation „The Present“ (2001) vor, bestehend aus fünf im Raum verteilten Monitoren mit eindringlich inszenierten Kurzfilmen von psychotischen Vorstellungen.
Hat die Künstlerin in diesen Arbeiten in erster Linie menschliche Ausnahmezustände künstlerisch verarbeitet und wunderbar offene Seherlebnisse initiiert, so haben ihre neusten Werke nun eine globale Mission: allumfassende Empathie für alles Leben auf diesem Planeten. Menschen, Tiere und Pflanzen. Eine schöne, wahre und gute Absicht, aber künstlerisch etwas bemüht. In einer umschließenden Videorauminstallation aus 4 Leinwänden, die man nun nicht mehr zeitgleich wahrnehmen kann, erläutert eine Schauspielerin Wahrnehmungsvarianten aus nichtmenschlichen Perspektiven; ein Busch, ein Mauersegler werden zu Protagonisten. Diese seltsam verkopft-didaktischen „Studies on the Ecology of Drama“ (2014), so der Titel, haben die spielerische Leichtigkeit eingebüßt.
Die aktuellste zentrale Arbeit „Potentiality of Love“ (2018) hebt vollends ab: Zwar gibt der projizierte Riesen-Schimpanse, der uns unbeirrt den Rücken zukehrt, ein starkes Bild ab, ebenso die interaktiven Tischstationen, die uns vorgaukeln, Affenarme zu haben. Doch der augenfälligste Bestandteil der mehrteiligen Installation ist ein gigantisches LED-Display, auf dem eine junge Frau schwerelos durch unendliche Weiten auf uns zuschwebt, lächelt, die Arme öffnet, auf ihrem Shirt steht „Love“, um wohl klarzustellen, dass es um weltumgreifende Empathie geht. Hoffentlich fängt sie sich.
Eija-Liisa Ahtila – Skulptur in Zeiten des Posthumanismus | bis 26.1.2020 | Lehmbruck Museum, Duisburg | 0203 283-3294 | www.lehmbruckmuseum.de
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