In Leverkusen wurde im Januar 2010 von Bayer die weltweit größte Produktionsanlage für Kohlenstoff- Nanoröhren (eng. carbon nanotubes) als Pilotfabrik in Betrieb genommen. Von den winzigen Röhrchen, die etwa 50.000 Mal kleiner sind als ein menschliches Haar, werden dort im Jahr rund 200 Tonnen produziert. Rein chemisch betrachtet bestehen sie aus dem gleichen Material wie eine Bleistiftmine, weisen aber sehr bemerkenswerte Eigenschaften auf. Mit Nanotubes veredelte Produkte könnten stabiler, belastbarer und leichter – Kunststoffe sogar leitfähig – werden. Die unter dem Markennamen „Baytubes“ angepriesenen Nanoröhren könnten im Automobil- und Flugzeugbau ebenso wie in elektrischen Bauteilen oder Beschichtungen Verwendung finden. Den Wettlauf um Zukunftstechnologien gewinnt oftmals, wer zuerst grünes Licht gibt. NRW hatte die Nase vorn und genehmigte die Pilotanlage, doch wenn es nach Philipp Mimkes geht, sollte man „so einen Wettlauf nicht unbedingt gewinnen wollen“. Mimkes ist Vorstandsmitglied des „Coordination gegen BAYER-Verfahren e.V.“, der bereits seit 1978 daran arbeitet, auf die Gefahrenpotentiale und Risiken chemischer Großproduktion aufmerksam zu machen. Gegen die Nanotubeproduktion macht der Verein nun Front, denn die Röhren stehen im Verdacht, im Körper Entzündungen hervorrufen zu können und somit – ähnlich wie Asbest – Krebs zu erzeugen. Aufgrund ihrer geringen Größe können Nanoteilchen über Atemwege, Magen-Darm-Trakt oder Haut in den Körper und über den Blutkreislauf in Organe gelangen. Auf ein Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung konnte verzichtet werden Im Falle der Leverkusener Produktion von Nanotubes ist fraglich, ob für Belegschaft, Anwohner und Anwender der Produkte Risiken bestehen. Welche Immissionen sind zu erwarten? Wie hoch ist die Atemluftbelastung innerhalb des Betriebs und welche Mengen Nanotubes könnten bei einem Störfall austreten? Zufriedenstellende Antworten gibt es keine, denn die Anlage wurde durch die Bezirksregierung Köln lediglich als Versuchsbetrieb genehmigt. Auf ein Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und die Beteiligung der Öffentlichkeit konnte dadurch verzichtet werden. Die Bundesimmisionsschutz- und Störfall-Verordnungen haben für die Produktionsstätte keine Gültigkeit, schließen aber Nanoprodukte ohnehin noch nicht ein. „Unternehmen sind dazu da, Profite zu machen“, beurteilt Mimkes realistisch die Situation, „deswegen muss es eine kritische Öffentlichkeit und Aufsichtsbehörden geben“. Er hält ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die unabhängige Prüfung der Umweltverträglichkeit und gesundheitliche Unbedenklichkeit für notwendig, bevor eine Großproduktion genehmigt wird. Laut Bayer ist bis 2012 eine Erweiterung der jährlichen Produktion auf bis zu 3.000 Tonnen der Nanotubes geplant.
www.baytubes.com
www.cbgnetwork.org
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