Sie können Karrieren begründen und beenden, Krisen von sublokaler bis globaler Relevanz auslösen oder dazu beitragen sie beizulegen – der Einfluss von Medien in der globalisierten und digitalisierten Welt ist enorm. Die Watergate-Affäre von gestern sind die Panama-Papers von heute. Die Welt, sie dreht sich im Zeitalter von Bits, Bytes und Glasfasernetz schneller denn je. Dabei rücken klassische Medien wie die gedruckte Tages- oder Wochenzeitung immer mehr ins Abseits, während neue Kanäle und Formate rasant ihre Leserschaft erschließen.
Tech-Konzerne wie Facebook, Alphabet (Google) oder Amazon dominieren den globalen Informationsmarkt. Dabei greifen sie auf bewährte Konzepte zurück. So hat Amazon-Gründer Jeff Bezos 2013 die traditionsreiche Washington Post übernommen, während sich hierzulande der zur Ströer Content Group zählende Internetprovider T-Online in zwei Jahrzehnten zum digitalen Newsportal mit Qualitätsanspruch entwickelt hat. Die genossenschaftliche und notorisch klamme Tageszeitung taz etwa sucht noch nach einem Ausweg aus der Zeitungskrise. „Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende“, verkündete jüngst taz-Mitbegründer Karl-Heinz Ruch im taz-Innovationsreport 2021. Der größte taz-Widersacher, die Axel Springer AG, konzentriert sich bereits voll auf das Digitalgeschäft, nachdem er klassische Titel abgestoßen hat. Dieser Strategiewechsel ist als eine Antwort auf den veränderten Medienkonsum zu verstehen.
Vom journalistischen Bürgerradio in Uganda bis hin zum stiftungsfinanzierten, millionenschweren investigativen US-Rechercheformat ProPublica – weltweit erproben sie, wie der Medienkrise zu begegnen ist, wie Zensur und Monopolismen, wie Investigationen gelingen, die sich nicht (mehr) selbst finanzieren, wie gemeinnütziger und unabhängiger Journalismus überleben und besser werden kann. „Viele Journalistinnen und Journalisten stehen mit ihren Einkünften auf einer Stufe mit Paketzustellern oder Altenpflegern, die ausgebeutet und erniedrigt werden“, beklagt Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Die Folge seien Zeitungen, in die nicht mehr investiert werde.
Als erstes gemeinnütziges Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum sieht sich beispielsweise Correctiv mit seinem Konzept als Garant für unabhängigen und investigativen Journalismus. „Wir machen Journalismus für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft. Wir recherchieren langfristig zu Missständen, fördern Medienkompetenz und führen Bildungsprogramme“, verdeutlicht Gründer David Schraven. Auf Qualität und Unabhängigkeit setzt ebenso krautreporter.de, ein von seinen Mitgliedern finanziertes und einer Genossenschaft getragenes Nachrichtenportal aus Berlin.
Die Krise der klassischen Medien eröffnet nicht nur dort neue Chancen für unabhängigen Journalismus und Pluralität: Neu gegründete digitale lokale und sublokale Onlinemedien erreichen in NRW eine immer größere Leserschaft. Als Beispiele sind hier die Nordstadtblogger zu nennen, die Nachrichten aus der Dortmunder Nordstadt liefern , oder halloherne.de, das anzeigenfinanziert das klassische Tageszeitungsklientel in der Ruhrstadt im Netz erreichen will. Die Medienkrise, sie stellt zugleich einen Nährboden für neuen, unabhängigen Journalismus dar. Es bewegt sich etwas in der Branche.
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Aktiv im Thema
netzwerkrecherche.org | Das Netzwerk Recherche gibt es seit 2001 und will Qualitätsjournalismus stärken. Es veranstaltet Seminare, vergibt Stipendien und gibt Publikationen heraus.
uebermedien.de | Der Medienjournalist und Bildblog-Gründer Stefan Niggemeier hat 2016 zusammen mit Boris Rosenkranz die von Abonnenten finanzierte Seite gegründet, um dort fundierte Medienkritik zu bieten.
netzpolitik.org | Die auf digitale Freiheitsrechte fokussierte Plattform legt seit Jahren den Finger in die Wunden von Datenschutz-Verletzungen und behördlichem Transparenzmangel und lebt vom Engagement seiner Mitarbeiter und Leser.
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