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Das Filmteam von „Huck Finn" in der Essener Lichtburg
Foto: Lisa Mertens

Der aktuelle Klassiker

30. Januar 2013

„Huck Finn" in der Lichtburg Essen - Foyer 02/13

Essen, 15.12. - Inmitten der Weihnachtsmarkthektik verlangsamte sich die Menschenmasse, blieb stehen und staunte: Vor der Lichtburg war der rote Teppich ausgerollt worden, Fotografen blitzten um ihr Leben, und Autogrammjäger reckten ihre Arme. Wer sich von Weitem noch wunderte, was in der Fußgängerzone eigentlich vor sich ging, wunderte sich nicht mehr, als er den Grund für den Aufruhr sah. Auf besagtem roten Teppich lächelten und winkten die Schauspieler Jacky Ido, Leon Seidel und Louis Hoffmann den Fotografen und Fans geduldig zu. Sie waren zur Deutschlandpremiere ihres Films „Die Abenteuer des Huck Finn“ erschienen, der am 20.12. in den Kinos anlief. Wer es vor dem Kino nicht geschafft hatte, ein Foto von den Schauspieler zu schießen, durfte es im Kino noch einmal versuchen - vorausgesetzt er oder sie hatte eine Eintrittskarte für den Film ergattert. Die gesamte Filmcrew stellte sich vor einem Filmplakat auf, lächelte in alle Richtungen, wechselte die Formation und nahm das Gedränge sehr humorvoll, sogar albern auf. Doch dann ging es weiter in den großen Kinosaal, in dem das größtenteils sehr junge Publikum der Neuverfilmung von Mark Twains Klassiker entgegenfieberte.

Applaus für Jacky Ido bei der Premiere von „Huck Finn", Foto: Lisa Mertens

In letzter Zeit wurde viel diskutiert über das N-Wort. Darf Tarantino es so inflationär in seinem Western „Django Unchained“ benutzen? Haben Christina Schröder und andere Verfechter Recht, wenn sie es für notwendig halten, in den Neuauflagen einschlägiger Kinderbücher die Worte Neger, Zigeuner etc. durch politisch korrekte zu ersetzen? Ist es Rassismus, wenn ein Passant vor dem Essener Kino beim Anblick des Schauspielteams staunend ausruft: „Guck mal, da stehen zwei Kinder und ein Neger auf dem Teppich!“? Die Diskussion schlug hohe Wellen und wird auch in Zukunft erneut Stürme auslösen. Regisseurin Hermine Huntgeburth verschonte ihr junges Publikum nicht vor dem N-Wort. Jim wurde als Neger bezeichnet, rassistische Äußerungen gab es unzählige, und auch im jungen Huck zeigte sich ein rassistisches Weltbild. Doch die Aussage des Films über Freiheit, Gleichheit und Freundschaft und die Überwindung von tradierten rassistischen Vorurteilen waren der Kern des Films. Die kindgerechte Vermittlung ist Hermine Huntgeburth gelungen. Im Anschluss an die Filmvorstellung betonte sie, dass es ihr oberstes Prinzip sei, die Kinder ernst zu nehmen und nicht von oben herab zu behandeln. Deshalb, so glaubt sie, kommen ihre Filme beim Publikum auch gut an. Ihre Annahme wurde bewiesen. Die Kinder feierten den Film mit großem Enthusiasmus und applaudierten um die Wette, als die Filmcrew nach und nach auf die Bühne schritt. Besonders stürmisch begrüßt wurden natürlich Leon Seidel, Darsteller des Huck Finn, und Jacky Ido, der die Rolle des Jim übernommen hatte. Letzteren lobte Hermine Huntgeburth außerordentlich. Für den Film habe der burkina fasisch-französische Schauspieler extra Deutsch gelernt.

Nach dem Film drängten die Kinder nach vorne zu den Schauspielern, die Platz genommen hatten, um die Filmplakate, die ihnen eifrig entgegengereicht wurden, mit einem Autogramm zu versehen. Mit ihrer Beute liefen die Kinder strahlend zu ihren Eltern. Es ist die Frage, was die Kinder von diesem Film mitgenommen haben: das N-Wort oder die Überwindung von Rassismus.

LISA MERTENS

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