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Regisseur Joachim Lang
Foto: Hartmut Ernst

Der Sieg des Glaubens

16. Juli 2024

„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24

Am Anfang spricht aus dem Off ein Mann. Man erkennt den Mann nicht. Aber man kennt ihn.

Mit „Führer und Verführer“ sucht Regisseur Joachim Lang („Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“) die Annäherung an die Illusion – an den Propagandaapparat von Joseph Goebbels. Der Regisseur stellt sich am 14. Juli im Odeon im Anschluss an den Film den Fragen von Moderator Ümit Uludağ und des Publikums. Knapp hundert Zuschauer:innen besuchen die Vorstellung am Spätnachmittag, obwohl draußen die Sonne lockt. Das Interesse an dem Film und seiner Thematik ist groß, es entwickelt sich ein angeregtes 45-minütiges Filmgespräch. Joachim Lang hat ein Drama inszeniert, das Hitlers Propagandachef von 1938 bis 1945 begleitet und das neben den Spielszenen durchzogen ist von zeitgenössischen Originalbildern und –tönen. Das wird kommentiert von Texttafeln. Darüber hinaus kommen vor der Kamera Überlebende des Holocaust zu Wort. Überlebende von heute, die ihr Wort an uns richten. Der Filmemacher erklärt, er möchte mit der Herangehensweise über Spiel- und dokumentarische Szenen ein authentisches Abbild der Zeit und seiner Protagonist:innen erschaffen.

Von Goebbels bis TikTok

Das filmische Konzept, das Spiel- und Realszenen vereint mit ausgewiesenem und nicht ausgewiesenem Zitat wird schon zu Beginn des Gesprächs aus dem Publikum heraus thematisiert. Eine Texttafel zu Beginn erklärt: „Die Dialoge basieren auf fundierten Recherchen und enthalten zahlreiche Zitate.“ Eine Zuschauerin zeigt sich irritiert: „Was ist Zitat, was nicht?“ Wie glaubwürdig ist dann am Ende das, was man sieht? Lang unterstreicht, dass sein Film nicht Wirklichkeit abbildet. Der Film fange den Geist ein, der sich aus seiner tiefgehenden Recherche gebildet hat. „Ich liefere eine Interpretation.“ Fundament dieser Interpretation ist die Frage danach, wie die Täter damals ihre unmenschlichen Verbrechen begehen und warum sie das Volk hinter sich vereinen konnten.


Moderator Ümit Uludağ mit Regisseur Joachim Lang, Foto: Hartmut Ernst

Lang interessiert die Manipulation, die Macht der Bilder, die Propaganda. Das Publikum verweist wiederholt auf die Aktualität des Films. „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.“ Das Zitat des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi rahmt den Film, und es ist nicht nur auf das Geschehene anwendbar, sondern auch auf das System von Propaganda und Manipulation. Aus dem Publikum wird die Linie hin zu TikTok gezogen, und auch Lang verweist auf die Gefahren der Verführung bis ins Jetzt und Heute. Gedankenspiele kreisen durch den Kinosaal: Was wäre gewesen, hätte Goebbels damals die Möglichkeiten von heute gehabt? Zugleich zeigt der Film, wie die Muster und Konzepte von Goebbels‘ Propagandamaschine noch heutzutage fruchten.

Der letzte Propagandaakt

Lob geht im Gespräch an die drei Hauptdarsteller:innen: an Franziska Weisz als Magda Goebbels, Nationalsozialistin durch und durch, an Robert Stadlober als Joseph Goebbels – beide Fanatiker, beide zugleich Gedemütigte in einem instabilen Beziehungsgerüst. Fritz Karl überzeugt als Hitler, wie wir ihn nicht kennen. Lang erzählt, dass Karl im Vorfeld des Films für ein anderes Projekt in derselben Rolle abgelehnt wurde, weil er nicht dem Hitler entspreche, der uns aus den Inszenierungen geläufig ist. Was uns wieder direkt zurückführt zu der gut geschmierten Nazi-Propaganda, die das Volk mit Trugbild und Lüge fütterte. Ein System, das direkt ins Jetzt und Heute zu Steve Bannons „Flood the Zone with Shit“ führt. Lang macht zugleich keinen Hehl daraus, dass jeder Einzelne Verantwortung dafür trägt, was er glaubt.

Goebbels war ein Meister seiner „Kunst“, wie er die Propaganda selbst nannte. Der Propagandachef erkannte, dass es nicht um Wahrheit ging, sondern um Emotionalisierung. Ein Mann, so Lang, dessen „letzter Propagandaakt“ der Mord an seinen eigenen Kindern war. Und am eigenen Suizid. Ein Überzeugungstäter bis in den Selbstmord. Erfüllt im Tod. Ein Verführer, bis ins Blut der eigenen Ideologie, der eigenen Narration, der eigenen Propaganda verfallen.

Wiederholt gehen Worte des Danks an Joachim Lang für diesen Film. Ein Film, der darstellt, dass das Nazideutschland noch lang nicht erschöpfend behandelt worden ist. Dass sich immer wieder neue, lehrreiche Perspektiven finden, über die man der Nazi-Diktatur begegnen muss, Perspektiven, die unmittelbar bis ins Heute nachhallen. Perspektiven, die warnen. „Führer und Verführer“ ist ein bewegender und wertvoller Film. Ein Film, das offenbart das Publikumsgespräch, der Augen öffnet und zum Diskurs anregt. Ein Diskurs, der auch noch anschließend im Foyer des Kinos weitergeführt wird.

Hartmut Ernst

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