Alles andere als eine festgefügte Gruppe von Künstlern ist derzeit in Hagen zu sehen. Aber alle zehn Künstler sind in Berlin ansässig, sie arbeiten als Maler, und sie bewegen sich auf dem Feld des Realismus, im Besonderen am Beispiel des Menschen und zwar heute. In jüngerer Zeit nimmt der Standort Berlin eine wichtige Stellung für die realistische Kunst ein, mit der Schule der Neuen Prächtigkeit und mit den Berliner Realisten ab den 1970er Jahren, zu denen als prominentester Vertreter Johannes Grützke gehört. Grützke ist nun gemeinsam mit Volker Stelzmann der „Klassiker“ der Ausstellung in Hagen, die sehr präzise die Verschiedenheit der Positionen herausarbeitet. Jeder Künstler ist mit etlichen Werken repräsentativ vertreten und noch dialogisch präsentiert. Als wichtiges Sujet erweist sich das Selbstportrait, das bei Grützke und Stelzmann fast leitmotivisch auftaucht; eine Entdeckung ist hier Bettina Moras. Und handelt es sich bei den inszenierten Aktdarstellungen von Lilli Hill und den Genreszenen von Andreas Leißner nicht auch immer um Selbstbildnisse, nun eingebunden in spezifische Kontexte und kunsthistorische Zitate? Ein anderes Verfahren, sich auf diese Ausstellung einzulassen, wäre es, die Bilder aufgrund ihrer Expressivität und ihres Duktus, der Gebrochenheit oder Glätte ihrer Oberfläche zu untersuchen. Während Andreas Leißners Bilder fast fotorealistisch wirken, sind die Darstellungen von Johannes Heisig – oder auch Pavel Feinstein – aufgerissen, aus der Farbe herausgeschält, mit der sie sich kantig formulieren. Dass dieses Expressive eine zutiefst menschliche Dimension hat, verdeutlichen dann die geradezu farblosen Malereien von Heike Ruschmeyer, die tote Kinder zeigen. So richtig will sie nicht in die Auswahl der Künstler, die der Direktor des Osthausmuseums Tayfun Belgin getroffen hat, hineinpassen – oder vielleicht doch? Schließlich, alle diese Bilder sind weit mehr als virtuose Malerei mit Farbe hin zur visuell bekannten Form, sondern stets Infragestellungen unseres alltäglichen Lebens.
„Aus Berlin“ I bis 22.4. I Osthaus Museum, Hagen I www.osthausmuseum.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
In der Verlängerung
Hagener Osthaus Museum erfindet sich neu
Vom Laufen und Stehen
Jan Meyer-Rogge im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 06/24
„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24
Das beste Licht der Welt
Heinz Mack im Osthaus Museum in Hagen – kunst & gut 07/23
Die anderen Werke
Sammlungspräsentation im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 04/23
„Dimensionen, wie man sie bei uns nicht findet“
Tayfun Belgin über „Labyrinths of Love“ im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 10/22
Der Mensch mit der Natur
Karl Ernst Osthaus-Preisträger Sven Kroner in Hagen – kunst & gut 10/22
Splitter der Heimat
Assadour im Osthaus Museum in Hagen
– kunst & gut 04/22
Natur in Unruhe
Mally Khorasantchi im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 03/22
Aus der Stadt Hagen
Ein kulturgeschichtlicher Einblick im Osthaus Museum Hagen
Ping Pong mit der Geste
Zwei „Junge Wilde“ mit Gemeinschaftsarbeiten im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 08/21
Mitten im Leben
Hyperrealistische Skulpturen im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 11/20
Nachtspaziergang im Keller
„Light-Land-Scapes“ in Unna – Ruhrkunst 07/25
Viel zu tun
RUB-Sammlungen im MuT Bochum – Ruhrkunst 07/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25
Bewegung und Berührung
Eva Aeppli und Jean Tinguely in Duisburg – Ruhrkunst 05/25
Einflüsse verschmelzen
Nadira Husain im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 05/25
Nudel, Mops und Knollennase
Loriot in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Ruhrkunst 03/25
Hannibal, ungeschönt
Latefa Wiersch im Dortmunder Kunstverein – Ruhrkunst 03/25
Gewebt, geknüpft, umwickelt
Sheila Hicks in Bottrop – Ruhrkunst 02/25
Wovon Bunker träumen
„Radical Innovations“ in der Kunsthalle Recklinghausen – Ruhrkunst 02/25
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Runter von der Straße
Graffiti-Künstler im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/25
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24