Insgesamt zählt das 27. Bochum Total bisher eine halbe Million BesucherInnen. Das Festival steigerte sich konstant von Tag zu Tag. Schon am Freitag zeigte Bochum Total ein anderes Gesicht als am verhältnismäßig ruhigeren Festival-Donnerstag. Die Wege von Bühne zu Bühne wurden länger, die umliegenden Kneipen voller und die Stimmung ausgelassener. Der Samstag setzte dem Festival einen würdigen Höhepunkt. 200 000 BesucherInnen kamen in die Ruhrgebietsstadt, um sich von der Atmosphäre und dem vollgepackten Programm an fünf Bühnen begeistern zu lassen. Rein musikalisch dürften auch am Festivalsamstag keine Wünsche offen geblieben sein: Von Ska über Rock’n’Roll bis hin zu lupenreinem Pop war alles vertreten.
Tarantinos Lieblinge
Zu Beginn wurde es auf der WAZ-Bühne nahezu verführerisch. „Thoughtful, poetic lyrics, absorbing melodies, a darker edge“ lautet die Beschreibung der Dead Lovers. Die vierköpfige Band um Lula und Wayne Jackson, halb aus Bayern und halb aus Manchester stammend, hielt, was sie versprach. Ihr Retrosound vereinte Elemente der 1950er und 1960er Jahre mit einer koketten, teils sehr eigenwilligen Bühnenperformance. Trotz aller einstudierten Showeinlagen bewies vor allem Wayne Jackson auch spontane Schlagfertigkeit, die für den einen oder anderen Lacher sorgte. „Der nächste Song ist für alle Pärchen. Ihr beide seht sehr gut zusammen aus. Der Song ist für euch. Ich hoffe, ihr seid nicht Bruder und Schwester.“ Gut möglich, dass Kultregisseur Quentin Tarantino bei seinem nächsten Filmprojekt auf Musik und Gags von The Dead Lovers zurückgreift.
Von Hip-Hop bis Pop
Chima durfte sich um 19.30 Uhr auf der 1LIVE- Bühne austoben. Nur die wenigsten der überwiegend sehr jungen Fans dürften etwas über den Background des Sohns nigerianischer Eltern gewusst haben. Chima machte bereits Anfang des Jahrtausends als Mitglied der Brothers Keepers von sich reden. Die Brothers Keepers sind ein eingetragener Verein, eine Initiative gegen Rassismus und Fremdenhass und gleichzeitig eine Band, die mit ihrem Song „Adriano (Letzte Warnung)“ 2001 die Charts stürmte. Chima rappte damals gemeinsam mit Größen wie Afrob und Xavier Naidoo gegen die wiedererstarkte Neonazi-Szene an. Elf Jahre später ist die Wut einer gewissen Entspanntheit gewichen und auch der Pop hat Einzug gehalten. Mit knapp 40 Jahren begegnet uns der aus Nigeria stammende Chima in seiner erfolgreichen Single „Morgen“ mit selbstironischen Textzeilen zum eigenen Lebensentwurf. Jener Song wurde dann auch lautstark gefeiert, und auch der Rest des Sets, geprägt vom neuen Album „Stille“, fand großen Anklang beim zahlreich versammelten Publikum.
Tanzen bis in die Nacht
Still war es wenig später auf der WAZ-Bühne nicht eine Sekunde lang: Der tanzwütige Polka-Ska von Herr Paschulke bescherte nicht nur der sehr bewegungsfreudigen Band selbst, sondern auch dem Publikum wunde Füße. Die achtköpfigen Lokalhelden aus Witten hatten sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und bedankten sich nicht nur einmal beim gut aufgelegten Publikum für deren Beifall. Wer nach so viel Musik noch immer nicht genug hatte, der marschierte ab 22 Uhr Richtung Rotunde-Indoor-Stage oder zu den zahlreichen Kneipengigs des Off-Stage-Programms.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Musikalischer Rundgang am Donnerstag
Bochum Total startete vielseitig und trocken ins verlängerte Festivalwochenende – Musik 07/12
Noten sind nicht maskulin
Das Komponistinnenfestival Her:Voice in Essen – Festival 05/24
Die mit dem Brokkoli kuschelt
Mina Richman in Recklinghausen – Musik 04/24
Auf Tuchfühlung
Indie-Rocker LEAP in Dortmund – Musik 04/24
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
Lauter träumen, leiser spielen
Rotem Sivan Trio im Dortmunder Domicil – Musik 04/24
Keine Vagabunden mehr
New Model Army in Oberhausen– Musik 04/24
150 Jahre Heavy Rock auf einer Bühne
Judas Priest laden zum Hochamt nach Dortmund – Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Geschwisterpower
Kanneh-Mason Trio in Dortmund – Musik 03/24
Altbewährtes und neue Formate
Das Klavier-Festival Ruhr mit neuer Intendantin – Festival 03/24
Verwandt in Sprache und Gefühl
Dota und Mascha Juno brillieren in Herne – Musik 02/24
Genau die richtigen Gäste
„Steve Coleman and Five Elements“ am Grillo-Theater in Essen – Musik 02/24
Mitten im Moshpit
Ace Butterfly in Bochum – Musik 02/24
Von Totengräbern und toten Schmetterlingen
Architects schwingen die Abrissbirne in Münster – Musik 02/24
Musik aus dem Zauberwald
Marta Del Grandi in Dortmund – Musik 01/24
Kameraden und Familie
Chuck Ragan & The Camaraderie in Dortmund – Musik 12/23
Krawall gerufen, Krawall bekommen
Preisverleihung beim Wettbewerb Remix.ruhr in Bochum – Musik 12/23
Musik mit Sogwirkung
Derya Yıldırım und Grup Şimşek in Bochum – Musik 12/23
Bedeutender Kulturmanager
Nachruf auf Franz Xaver Ohnesorg – Nachruf 12/23
Frei von Konventionen
Alexander von Schlippenbach in Dortmund – Musik 11/23
RockCongress Bochum
Das turock-Festival erstmals im Ruhr Congress – Musik 11/23
Vielstimmig
Kat Frankie mit BODIES in Dortmund – Musik 10/23
Die Szene zu Gast
19. Jazz Meeting Wuppertal – Musik 10/23