Verschiedene Sichten zu finanziellem Engagement gab es in der Bochumer Rotunde zu erleben, besser eigentlich: verschiedene Rollen. Es gab viel Einigkeit im Trio, das zur neuen Ausgabe von „Herausforderung Zukunft“ mit dem Titel: „Engagement und Fortschritt durch Entwicklung“ gekommen war. Wie humanitäres Engagement funktionieren kann, erläuterten mit Moderator Renardo Schlegelmilch der Fußballstar Neven Subotic, Olaf in der Beek, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und Tobias Kahler von der Bill & Melinda-Gates-Foundation. Imposant waren nicht zuletzt die Summen: Die Stiftung des Microsoft-Gründers verfügt nach eigenen Angaben über rund 40 Milliarden US-Dollar.
Die ambitionierte Reihe „Herausforderung Zukunft“, im Selbstverständnis Bindeglied zwischen Politik, Medien und Zivilgesellschaft, ist sichtlich hochaktiv. Für Juniwurde etwa FDP-Chef Christian Lindner zum „Townhall Meeting“ angekündigt, das sich allerdings nur an junge Teilnehmer bis 25 richtet. Große und relevante Namen gewinnt das Projekt von Sascha Hellen immer wieder. Darunter sind zuweilen auch weit herumgekommene Ruhr-Gewächse: Tobias Kahler stammt aus Herdecke und war Direktor der Organisation ONE für die Bekämpfung extremer Armut. Mit dem BVB unter Jürgen Klopp hatte auch Subotic, Ex- Nationalspieler Serbiens, beruflich den Bezug zum Revier. Aus seiner bosnischen Heimat kam seine Familie nach Deutschland, emigrierte in die USA, ehe er serbischer Nationalspieler wurde und unter anderem beim BVB spielte.
„Wieso verschenkt man Geld? Weil es was bringt.“ Erklärte der Profikicker explizit seine Motivation. Sein Interesse an humanitärem Einsatz habe er schon gehabt als er siebzehn war, damals noch lokal begrenzt gedacht. Dann habe bei ihm ein radikales Umdenken stattgefunden: „Das ist absolut falsch. Ich möchte raus aus diesem Radius – und mich auf absolute Armut fokussieren.“ Sein großes Thema wurde dann die Wasserarmut: Die Neven-Subotic-Stiftung baut Brunnen und Sanitäranlagen in Äthiopien.
Persönliche Entschlossenheit trieb auch den streitbaren Olaf in der Beek, Abgeordneter der FDP im Bundestag. Dieser konstatierte, oft werde Entwicklungshilfe, besser gesagt „Entwicklungszusammenarbeit“ erst spät aktiv: „Man kümmert sich immer nur, wenn etwas ins Wasser gefallen ist.“ Schlimmer sei es noch, wenn man selbst Ursache einer Bedarfslage sei – oder deutlicher gesprochen: sehe, „was wir verbockt haben.“ Er machte auch klar, dass das bekannte Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ Folgen hat: „Wer selbstbestimmt lebt, der hat auch Ansprüche.“ Energieintensive, zum Beispiel – „und Windkraft geht da nicht immer.“
Was die organisatorische Seite der Unterstützung betrifft, so stimmte der Politiker zu, dass, ein multilaterales Vorgehen oft sinnvoller wäre als eines zwischen nur zwei Akteuren. Auch inhaltlich gab es Berührungspunkte: Am Beispiel von Subotics Thema Trinkwasser betonte Gates-Mann Kahler die Bedeutung der Forschung, etwa für Filter und Aufbereitung. Sauberes Wasser hängt aber auch eng zusammen mit modernen Toiletten, sprich geregelter Entsorgung der Ausscheidungen, um Kontamination zu verhindern. Der Fußballer wies hier auf weniger präsente Zusammenhänge hin: Dass an Schulen geschlechtergetrennte Toiletten existierten, sei auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass gerade Mädchen zur Schule gingen. Vielleicht ein Fall von dem, was er an anderer Stelle „holistisch“, ganzheitlich nannte.
Trotz der Schwindel erregenden Zahlendimension ließen die Herren also erkennen, dass sie den konkreten Bezug zur Sache nicht aus dem Blick verloren haben. Gerade die Summen mochten auch notwendig machen, was Kahler und Subotic als wichtiges Element ihrer Arbeit betonten: strenge Kontrollen. „Wir sind nicht so beliebt für unsere Reporting-Standards“, so umriss Ersterer, dass die Empfänger von Geldern später klar darlegen müssen, wie sie es verwandt und nutzbar gemacht haben. Überzeugt das nicht, wird demnach die Zusammenarbeit beendet.
Das Geld, so der Gesamteindruck, schien an diesem Abend in guten Händen. Wer die Höhe der Beträge einmal verdaut hatte, mochte dann noch einmal kurz die Brauen heben, in welchen jungen Jahren man zuweilen schon so massiv Gutes tun kann: Gegründet hatte Fußballer Subotic seine Stiftung mit 23. Heute ist er erst 30.
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