Eins ist klar: Die Menge an interessierten Menschen in der GLS-Bank-Zentrale Bochum ist überschaubar. Jeder kann sich seinen Platz aussuchen. Wenig später erscheint Dr. Michael Kopatz, Umweltwissenschaftler und Projektleiter beim Wuppertal Institut. Er spricht hier über sein Buch „Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten.“, 2016 beim oekom-Verlag erschienen.
Schnell kann er die Zuhörer für sich gewinnen. Kopatz ist energiegeladen, immer nah am Publikum. Ein junger Mann wird später in der Diskussion sagen: „Sie haben uns mit Argumenten überzeugt.“ Dabei wirft Kopatz vor allem Fragen auf: „Was wäre, wenn Nike auf einmal ökologisch produziert?“ Die Wirtschaft warte nur darauf: 8 von 10 Managern wünschten sich striktere Vorgaben seitens der Politik. Doch ein Unternehmen allein würde nicht den Anfang machen. Es würde Gefahr laufen, sich damit schnell ins Abseits zu stellen, so Kopatz. Sofern aber die Politik die Weichen stelle, innerhalb Deutschlands und europaweit, müssten alle anderen Firmen mitziehen. Damit das passiere, müsse es gesellschaftlichen Druck geben. Beispiele – wie die Anti-AKW-Bewegung – gäbe es genug.
Kopatz hat viele Ideen für eine nachhaltige Zukunft und in der Regel alle gegen sich. In der Landwirtschaftsdebatte sind es BASF und Monsanto. Im Verkehrssektor die Automobilindustrie. Die komme ihm eh so vor, „wie ein Schreibmaschinenhersteller, der bei Aufkommen des Internets in neue Farbbänder investiert.” Für das, was er fordert, müssten sie ihre Portfolios komplett umstricken. Und das will keiner – weil Veränderung langwierig ist und man einen langen Atem braucht.
Darauf setzt er: In der Tierhaltung konventionelle Standards an Öko-Standards angleichen. Starts und Landungen beim Fliegen auf gegenwärtigem Niveau halten. Tempo 30 in Städten. Keine neuen Straßen, stattdessen das Geld in die Erhaltung der Vorhandenen und in den Schienenverkehr stecken. Wie wir verhindern, dass Standards durch TTIP und andere Freihandelsabkommen auf EU-Ebene herabgesetzt werden, erklärt er uns jedoch nicht.
Zwar hielten 95 Prozent der Bundesbürger Klimaschutz für sinnvoll, aber wir neigen zur Expansion, so Kopatz. Fernseher sind so groß, dass der empfohlene Sitzabstand nicht mehr eingehalten werden kann. Jeder Kühlschrank habe inzwischen die Größe eines Kleiderschranks, aber wir argumentierten, der Energieverbrauch wäre doch mit A++ vergleichsweise niedrig. Die Werbung animiert den Konsumenten, nur noch mehr zu kaufen. Und das führt vom nachhaltigen Konsum weg. Die mit dem geringsten ökologischen Fußabdruck seien nicht etwa die Ökos, sondern die Hartz-4-ler, erklärt Kopatz. Sie fliegen nicht und kaufen keine großen Autos.
Er rät: Sich dem Konsum auch bewusst zu entziehen. Dinge zu nutzen, bis sie kaputt sind oder etwas gar nicht erst anzuschaffen. „Und fangen Sie bei sich an. Verzichten Sie im Sommer z.B. auf den Wäschetrockner und hängen Sie Ihre Wäsche raus.“. Keine wirklich neue Erfindung. „Eine Routine leicht ändern“ nennt er das. Dann verteilt er Wäscheklammern. Der Reminder-Slogan ‚sonnentrocken’ ist darauf zu lesen.
Lesen Sie auch unser Interview mit Michael Kopatz zum Thema BIOKOST.
Michael Kopatz: „Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten“ | oekom Verlag | München 2016 | 416 S. www.oekom.de
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