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Max Adelmann in Aktion
Foto: Stefan Dolge

„Wir brauchen keine ‚Bürgerwehr’ in Essen“

25. Februar 2016

Max Adelmann. Sprecher von „Essen stellt sich quer“, zur „Bürgerwehr“-Initiative

trailer: Kommen wir direkt zur Kernfrage, die den ganzen Diskurs beherrscht: Wie weit geht Redefreiheit, was „wird man noch sagen dürfen“? Wo ziehen Sie die Grenze?
Max Adelmann:
Um auf den konkreten Fall der sogenannten Bürgerwehr einzugehen: Mitglieder der Facebook-Gruppe haben uns Screenshots von Online-Diskussionen geschickt, in denen es ums Streife laufen und den Nutzen von Pfefferspray und Schreckschusspistolen ging. Wir haben uns auch einige Protagonisten der Gruppe angeschaut, darunter gewaltbereite Rechtsextreme. Wir setzen uns nicht mit solchen Leuten an einen Tisch, sondern setzen lieber darauf, dass sich die Vernünftigen aus dieser Gruppe lösen. Aber sich mit gewaltbereiten Kriminellen an einen Tisch zu setzen, ist außerhalb jeglicher Diskussion. 

Manche bezeichnen die Reaktionen auf das Angebot Reinhard Wiesemanns, sich mit der „Bürgerwehr“ im UPH  zu treffen, als Shitstorm...
Und wenn nun die Mehrheit anderer Meinung ist als er, ist das kein Shitstorm. Andererseits hat sich die Situation auch sehr hochgeschaukelt, teilweise in einem unangebrachten Stil. Aber das war nicht von uns beabsichtigt. Für uns war die Sache nach unserer Kundgebung, wo er ja auch Redezeit bekommen hat, gegessen. Das UPH aus Sicherheitsgründen zu schließen, halten wir aber für eine vollkommen unangemessene Reaktion auf unsere angemeldete Kundgebung.

Neonazis gesellschaftlich isolieren ist nachvollziehbar. Aber was ist mit den unideologischen Mitläufern, die vielleicht „noch zu retten“ sind?
Abgesehen davon, dass wir keine Bürgerwehr in Essen brauchen: Es gibt hier Gruppen, die Ähnliches bereits tun. In Kettwig beauftragen Privatleute eine Sicherheitsfirma zum Einbruchschutz. Es gibt eine Facebook-Gruppe, die ihr Viertel beobachtet und Auffälligkeiten meldet – oft ist das nur nicht angemeldeter Sperrmüll, aber das ist eine andere Geschichte. Aber es sind absolut friedliche Projekte. Warum die Leute, die diese „Bürgerwehr“ gründen wollten, sich nicht lieber daran beteiligen, weiß ich nicht.

Noch einmal konkret zum Unperfekthaus: Diese „Bürgerwehr“ trifft sich sowieso – was wäre Ihnen lieber: Im Geheimen in irgendeinem Essener Hinterhof, oder, wie von Herrn Wiesemann geplant, in der Öffentlichkeit, im Unperfekthaus?
Die Facebook-Gruppe war ja von vorneherein geschlossen. Aber wenn man, so wie wir, erfährt, dass es in die Illegalität hineingeht, dann gehört das öffentlich gemacht. Dann trifft man sich nicht mit denen, sondern ergreift Gegenmaßnahmen. Und zwar mit Wissen, Argumenten und Beispielen. Das ist unheimlich schwierig, aber ein Muss.

Der Rechtsruck speist sich aus Unzufriedenheit – ist er damit nicht auch ein Symptom gescheiterter Sozialpolitik?
Was wir ernten sind die Früchte des Nichtstuns der letzten Jahre. Man braucht sich über einen Rechtsruck gar nicht wundern: Es gibt seit 20 Jahren empirische Studien die zeigen, dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung für rechtsextreme Ansichten empfänglich sind. Das ist nur nie offen benannt worden. In den letzten Jahren sind diese Einstellungen salonfähig geworden – und das ohne dass die Mitte der Gesellschaft sich gewehrt hat.

Max Adelmann (59) ist Sprecher des Bündnisses „Essen stellt sich Quer“, das sich gegen Rechtsextremismus engagiert.

Interview: Dominik Lenze

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