Allein der Name „Sonne der Aramäer“ klingt nach wunderschönen Klängen und Frieden. Der helle Titel benennt einen Chor der syrisch-katholischen Gemeinde, der jetzt bei einem Projekt der Kirchen und zum „Fest für Alte Musik“ eingeladen ist. Aufgeführt wird eine „Masque“, eine frühe Art der Oper aus Schauspiel, Tanz und Musik, die von den englischen Komponisten Matthew Locke und Christopher Gibbons komponiert wurde – ein Stück um Liebe und Tod, passend als Eröffnung zum Fest-Thema „Krieg und Frieden“.
Wem die Komponisten Locke und Gibbons nichts sagen, der sollte nicht Trübsal blasen. Der bekanntere Locke war Vorläufer von Henry Purcell am Westminster Abbey in London, Gibbons war Sohn des Renaissance-Meisters Orlando Gibbons – Marke sehr unbekannt. Aber die beiden zeichnen für die Musik des Stückes „Cupid and Death“ verantwortlich, entstanden Mitte des 17. Jahrhunderts und sehr erfolgreich – was auch an der Story liegen könnte. Liebe und Tod übernachteten damals im selben Hotel. Hier arbeitete ein kecker Diener, dem die arroganten Herrschaften schnell auf den Geist gingen und diesen dadurch zur Rachearie beflügelten – er vertauschte den Hochmütigen das Arbeitswerkzeug, die Pfeile. Nun töteten auf Tagschicht plötzlich die Liebespfeile die gurrenden Pärchen, dafür wurden die Frontsoldaten ganz zärtlich und begehrten ihre Gegner: Die Natur stand auf dem Kopf! Es bedurfte höherer Mächte, sie wieder ins Gleichmaß zu rütteln. Deshalb ist die Produktion in der Trinitatiskirche bestens verortet.
Eine höhere Macht repräsentiert dabei die legendäre Dame Emma Kirkby. Vor 50 Jahren begann sie ihre Studien, vor gut zehn Jahren erhob sie Queen Elisabeth II. in den Ritterstand. Jetzt kehrt sie nach Köln zurück zu einer weiteren szenischen Arbeit mit dem argentinischen Regisseur, Theatermagier und Komödianten Adrian Schvarzstein. Außerdem wirken die Kölner Sopranistin Maria Jonas und die Neue Hofkapelle Graz mit.
Verarbeitet Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ rund 250 handelnde Figuren, so bleibt das Fest im Personalaufwand nicht weit zurück. 16 Programme, konzertant oder inszeniert, führen internationale Stars und vielversprechende Newcomer zusammen. Nicht auf Tolstoi, sondern auf den 100. Jahrestag des Friedensschlusses von Versailles bezieht sich das ausrichtende Kreativteam vom „Zamus“, dem Zentrum für Alte Musik in Köln-Ehrenfeld. Für einen Teil der Alte Musik-Bewegung hat ja diese Institution den Frieden gebracht und verwaltet dieses einst so wilde und aufbegehrende Pflänzchen der Klassikszene sehr ordentlich. Historische Informiertheit gilt als obligatorisch für fast alle internationalen Ensembles und Orchester, Gegenwind hat sich gelegt. Die Zeitgenössische Musik erhält im nächsten Monat ihr Festival „Acht Brücken“, auch pekuniär reich ausgestattet, und das ist gut so. Nicht zuletzt Bauten wie die Elbphilharmonie sorgen ja angeblich für einen neuerlichen Boom klassischer Musik.
Empfehlenswert für Neugierige sind die Konzerte von Flautando Köln und natürlich vom Ukulele Orchestra of Great Britain: Bei beiden muss zum Lachen niemand in den Keller gehen.
Kölner Fest für Alte Musik | 10.- 25.3. | www.zamus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Komponistin im Zeitenfluss
Isabel Mundry im WDR Funkhaus – Klassik am Rhein 05/22
Blume aller Blumen
Ein Liederabend in Köln lässt Rosen erblühen – Klassik am Rhein 02/19
Riesige Hände
200. Geburtstag von Clara Schumann – Klassik am Rhein 01/19
Zweierlei Schicksal
In Köln begegnet Beethoven Frankenstein und Wolfgang Schäuble – Klassik am Rhein 09/18
Über Leben von Menschen
Festival Alte Musik Knechtsteden geht Musike(r)n auf den Grund – Klassik am Rhein 09/18
Musik in vielen Domen
Im Sommer genießen Musikfreunde Kunstgenuss im kühlen Raum – Klassik am Rhein 07/17
Zwei Passionen aus einer Feder
Die beiden großen Kölner Sinfonieorchester zelebrieren Bach – Klassik am Rhein 04/17
Jubel zur Unzeit
Über die Tücken des Applauses im klassischen Konzert – Klassik am Rhein 01/17
Kammermusik in Köln
Deutschlandfunk bürgt für konzertante Spitzenware – Klassik am Rhein 11/16
Frisch getrautes Traumpaar
In Köln gastiert „die Netrebko“ – und bringt ihren Mann mit – Klassik am Rhein 08/16
Bridge over troubled water
„Brückenmusik“ holt Klangkunst in die Deutzer Brücke – Klassik am Rhein 07/16
Musik und Wein
Montepulciano beherbergt deutsche Kulturinstitution für Musik – Klassik an der Ruhr 07/16
Aus grellem Sonnenlicht
Sarah Aristidou in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/23
Meister der Nuancen
Shao-Chia Lü in Krefeld und Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 03/23
Kunst und Leben des Michael Biel
„Abschied von der neuen Musik?“ in Köln – Klassik am Rhein 02/23
Zu Ehren einer Meisterin
Sofia Gubaidulina im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 02/23
Alter Hase von jungen Jahren
Jan Lisiecki besucht die Rheinmetropolen – Klassik am Rhein 01/23
Nahbarer Maestro
„Von Herzen – Adieu, mein Schatz!“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 01/23
Zartes Orchester-Pflänzchen
„Ensemble Diderot“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/22
Abschied von Ludwig Güttler
„Sächsischer Bläserglanz zur Weihnachtszeit“ in NRW – Klassik an der Ruhr 12/22
Seele des Kölner Doms
„Geistliche Musik am Dreikönigenschrein“ – Klassik am Rhein 11/22
Bitte keinen Applaus
Annette Dasch und das Fauré-Quartett in Düsseldorf – Klassik an der Ruhr 11/22
Zwei Legendinnen
„Le Sacre du Printemps“ in der Tonhalle Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/22
Das Besondere im Blick
Chordirektordebüt am Theater Krefeld Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 10/22
Entdeckerlust
Programme der Symphonieorchester im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 09/22