Schon diese zwei Zahlen verdeutlichen das Ausmaß der humanitären Katstrophe durch den Vietnamkrieg (1955-1975) auf erschreckende Weise: Im Süden des Landes starben während des Bürgerkriegs insgesamt drei Millionen Menschen, darunter zwei Millionen Zivilist:innen. Schätzungen zufolge war die Opferzahl in Nordvietnam ähnlich hoch. Die bis heute andauernden psychischen und familiären Auswirkungen dieses Kriegs auf die Überlebenden sind für Nichtbetroffene kaum vorstellbar. Um diese Auswirkungen dreht sich das Tanztheaterstück „Kim“, mit dem die aus Taiwan stammende Regisseurin und Choreografin Fang Yun Lo im November zu Gast auf PACT Zollverein ist.
Unter dem in Essen, Dresden und Taiwan ansässigen Label Polymer DMT arbeitet Fang Yun Lo bereits seit 2011 mit Künstler:innen aus verschiedenen Sparten. Ein Motiv, das sich seitdem durch das Werk der Deutsch-Taiwanerin zieht: die Befragung komplizierter Herkunftsgeschichten. So auch ihrem aktuellen Tanztheaterstück „Kim“, das auf dem Roman „Wo auch immer ihr seid“ von Khuê Pham basiert. Darin setzt sich die in Berlin geborene Journalistin Pham mit ihrer Familiengeschichte auseinander. Die Handlung: Phams Eltern fliehen 1968 aus Vietnam nach Berlin. Pham nennt sich Kim, ein Name, mit dem sie Fragen nach ihrer Herkunft vermeiden will. Dreißig Jahre später blickt sie zurück auf die Kriegserfahrungen und die Migrationsgeschichte, die ihre Familie erlebte.
In „Kim“ steht Khuê Pham selbst mit insgesamt fünf Tänzer:innen auf der Bühne. Gemeinsam behandeln sie in einem Mix aus Hiphop, Ballett und zeitgenössischem Tanz aber auch Literatur und Film die Folgen des Vietnamkriegs. Regelmäßig schlüpfen die Tänzer:innen dabei in die Rollen aus der Romanvorlage, erzählen ihre Geschichte und die ihrer Eltern. Zugleich geht es um die schwierige Identitätssuche junger Erwachsener, die auf eine Migrationsgeschichte zurückblicken – nicht selten bedingt durch Kriege.
Kim | 29., 30.11. je 20 Uhr | PACT Zollverein, Essen | 0201 289 47 00
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