Leuchtende Blumen tanzen auf dem Waldboden. Idyllisch sieht das aus, weiß man doch noch nicht, dass es sich hierbei um den Hambacher Forst handelt. Nur noch rund ein Zehntel des schätzungsweise 12.000 Jahre alten Waldes ist erhalten. Ein große LED-Wand außerhalb der Bochumer Zeche Hannover zeigt die Videoinstallation „Slow Violence“ des französischen Künstlers Joanie Lemercier, die zur Themenwoche Energie des Medienkunstfestivals „Futur 21“ präsentiert wird. Mit einem zweiten Lichtprojektor werden die Blumen so angestrahlt, als stünden sie in Flammen.
Rund 270.000 Tonnen CO2 stößt der von RWE betriebene Tagebau Hambach jeden Tag aus. Noch bis 2030 soll hier gebaggert werden. In Erkelenz gräbt sich der Abrissbagger in den Immerather Dom – das letzte noch stehende Gebäude im Dorf, bevor auch hier der Tagebau Garzweiler den Boden verschlingen wird. Ganze zwölf Dörfer hat das Braunkohle-Abbaugebiet bereits unter sich begraben. Synchron zum Film bewegen sich wabernde Linien auch über die Bäume hinter dem Zechengelände und binden die umliegende Natur mit ein – Umweltzerstörung ist nicht begrenzt auf einen Ort, sie setzt sich fort und breitet sich aus, wird so unmissverständlich.
Langsame Gewalt („slow violence“). So bezeichnete der Literaturwissenschaftler Rob Nixon das langsame, stetige Voranschreiten von Umweltzerstörung und Klimakrise, das den Namen der Installation inspiriert hat. Ein schleichender Prozess, der meistens unspektakulär verläuft und meist kein Medienereignis ist, liegen doch die größten Kosten und Gefahren noch in der Zukunft.
Mit Drohnenaufnahmen wird der riesige Krater des Tagebaus Garzweiler gefilmt. Doch es regt sich Widerstand. Der Kurzfilm nimmt Fahrt auf, als Aktivisten von Ende Gelände und Fridays for Future den Tagebau stürmen. Lemercier, der seit dem 2019 gestarteten Projekt selbst zum Umweltaktivisten geworden ist, nimmt heute regelmäßig an Demonstrationen teil und widmet seine Kunst zunehmend verschiedenen Protestbewegungen.
Zum Schluss erneut die Schlucht des Hambacher Tagebaus und die Rauchwolken, die aus den Kraftwerken aufsteigen, die die Kohle verbrennen. Langsam mag die Gewalt der Klimakrise wirken, aber sie nimmt Fahrt auf.
Futur 21 – kunst industrie kultur | bis 2.4. | div. Orte | https://futur21.de
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