Paula ist Klassenbeste auf der Schule für Hauptfiguren. Sie träumt von Szenen voller Musik und großer Emotionen. Bloß keine Nebenfigur sein, wie ihre Mutter, die nur limitierte Dialoge hat und gehorsam im Hintergrund agieren muss. Schlimmer trifft es nur Fehlbesetzungen, Filmfehler oder die schwarz-weißen Outtakes, die in ständiger Gefahr leben, herausgeschnitten zu werden. Kurz vor der Abschlussprüfung erzeugt Paulas Herzmaschine aber plötzlich nur noch schief klingenden Scores, und sie muss sich auf die Suche nach ihren Wurzeln machen. Selten hat ein deutscher Film so einfallsreich und konsequent seine diegetische Prämisse einer Science-Fiction-Welt, die wie ein Filmdreh funktioniert, umgesetzt. Sophie Linnenbaums „The Ordinaries“ ist ein Experiment, das in jeder Einstellung (und dazwischen) Spaß macht.
Frauke Finsterwalders neuer Film beginnt als Satire der Geschichte einer weltbekannten Kaiserin – Sisi. Doch in „Sisi & Ich“ dient dieser Mythos als bloße Schablone um einen Film über Schmerz, Zuneigung und die Rückgewinnung von Kontrolle in einer patriarchalen Welt zu erzählen. Die perfekte Besetzung durch Sandra Hüller, Sophie Hutter, Maresie Riegner und Susanne Wolff als Sisi, ein grandioses Kostümbild sowie Set-Design und nicht zuletzt ein überraschender wie fantastischer Soundtrack machen diesen Film zu etwas ganz Besonderem und Neuem. Frauke Finsterwalder kreiert eine Welt zwischen Leichtigkeit und Unterdrückung, Frohsinn und Kontrolle, die einen spätestens in der zweiten Hälfte des Films einholt und zum Nachdenken anregt.
Patrice Lecontes „Maigret“ ist ein Kriminalfilm mit hohem Nostalgiefaktor, der ganz im Sinne der Erben Georges Simenons gefertigt sein dürfte. Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) ermittelt im Mordfall eines jungen Mädchens, das ohne Papiere erstochen in einem abgelegenen Park gefunden wird. Bei den Untersuchungen stellt sich heraus, dass sie eher bescheiden gekleidet war und ihr schickes und teures Abendkleid dabei nicht so recht ins Bild passen will. Patrice Leconte hat seinen Film in den 1950er Jahren angesiedelt, in denen sehr viele der Maigret-Geschichten spielen oder verfilmt wurden. Depardieu ist in seiner zurückgenommenen und präzisen Art eine gelungene Verkörperung für den Kommissar, wenngleich sich dieser hier bereits von seiner Genusssucht zu kurieren versucht.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Christphe Honorés Coming-of-Age-Drama „Der Gymnasiast“,Jonathan Goldsteins und John Francis Daleys Abenteuerspektakel „Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben“, Til Schweigers spätes Vollgas-Sequel „Manta Manta: Zwoter Teil“ und Quentin Reynauds Thriller „The Blaze - Flucht aus den Flammen“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Tod sind wir
Die Filmstarts der Woche
Meister des Sensenhumors
Cartoonist Michael Holtschulte präsentiert seine Werke bei kunstwerden in Essen
Die mit dem Brokkoli kuschelt
Mina Richman in Recklinghausen – Musik 04/24
Auf Tuchfühlung
Indie-Rocker LEAP in Dortmund – Musik 04/24
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
„Die Realitäten haben sich verändert“
Die Kuratorinnen Özlem Arslan und Eva Busch über die Ausstellung zur Kemnade International in Bochum – Sammlung 04/24
Wiederentdeckt
Werke von Amerikas erster schwarzer Klassikerin in Essen – Klassik an der Ruhr 04/24
Die Seele geraubt
„Hello Dolly“ am Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 04/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
Lauter träumen, leiser spielen
Rotem Sivan Trio im Dortmunder Domicil – Musik 04/24
Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Weltweit für Menschenrechte
Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Von Minenfeldern in die Ruhrwiesen
Anja Liedtke wendet sich dem Nature Writing zu – Literaturporträt 04/24