Die Regisseurin Laura Poitras begnügt sich in ihrem spannenden Dokumentarfilm „All the Beauty and the Bloodshed“, der in Venedig letztes Jahr den Hauptpreis erhielt, nicht mit dem fotografischen Werk der Künstlerin Nan Goldin. Sie entfaltet gleich mehrere Erzählstränge, die alle mit dem Leben und Werk der Künstlerin zusammenhängen. Nan Goldin führt das Publikum mit ihrer Erzählstimme durch die Handlungsebenen. Es ist eine scheinbar perfekte Nachkriegswelt, in die Nan Goldin als zweite Tochter in die geordneten Suburbs von Washington, D.C. 1953 hineingeboren wird. Doch ihre acht Jahre ältere Schwester Barbara nimmt sich 1964 das Leben, weil sie von Internat zu Internat geschickt wurde und ihre Kreativität nicht ausleben durfte. Nach dem Studium in Boston kommt Nan Goldin nach New York zur New Wave- und No Wave-Bewegung, wo sie Musiker:innen, Künstler:innen und Filmemacher:innen des Underground.eine Stimme gibt. Nan Goldins soziales Engagement führt direkt zu der dritten Ebene des Films: Poitras begleitet Goldin in der jüngeren Gegenwart, in der sie sich gegen die Sackler-Familie engagiert, die mit ihrem Unternehmen Purdue Pharma hauptverantwortlich für die Opioidkrise in den USA ist. Auch Nan Goldin bekam 2014 nach einer OP das aggressiv beworbene Purdue-Schmerzmittel Oxycontin verschrieben und wurde süchtig. Anders als viele andere Patient:innen überlebte sie und ging medienwirksam gegen die Sacklers vor.
Astrid Menzels Großmutter ist an Demenz erkrankt. Also kümmert sich die Regisseurin um sie – so wie sie es damals ihrem verstorbenen Großvater versprochen hatte. Gemeinsam mit ihrem Bruder und der Filmkamera brechen die beiden auf zu einer gemeinsamen Kanufahrt. Eine Tour, eine Prüfung, eine Reise in die Vergangenheit, so bedrückend wie humorvoll. „Blauer Himmel Weiße Wolken“ ist eine vielschichtige, humanistische und zugleich nachdenkliche Doku zu Kanu.
Hotel Mamma war einmal: Jacqueline (Josiane Balasko) dreht den Spieß um! Nachdem der Umzug in eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Lover gründlich schief geht, zieht sie kurzentschlossen bei ihrer Tochter (Mathilde Seigner) und dem Schwiegersohn ein. Nur für ein paar Tage. Oder Wochen. Oder Monate. Egal: Jacqueline richtet sich ein – im Hotel Tochter. Eric Lavaines boulevardeske Komödie „Mamma Ante Portas“ nimmt genüsslich de Lebenspläne, -räume und -träume der Generationen auseinander. Und die Balasko verwandelt fast mehr Pointen als auf den ersten Blick da sind.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Rasmus Dinesen Wein-Doku „Terroir – Eine genussvolle Reise in die Welt des Weins“, Michal Viniks Gesellschaftsdrama „Valeria is Getting Married“, Peter Atencios Zeitreise-Komödie „The Machine“, Chris McKays Horrorkomödie „Renfield“, Laura Terrusos Family-Clash-Komödie „Und dann kam Dad“ und Rob Marshalls Disney-Realverfilmung „Arielle, die Meerjungfrau“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Glück gehabt?
Die Filmstarts der Woche
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 1: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Tastenlegende auf Tournee
Herbie Hancock in der Philharmonie Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Klänge der Gegenwart
Konzertreihe mex im Künstlerhaus Dortmund – Musik 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Schuld und Sadismus
Diskussion am KWI Essen über Lust an der Gewalt – Spezial 07/25
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Chaos
NRW kürzt bei freien Tanzgruppen – Tanz in NRW 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Kinofest-Test
Lünen als Versuchslabor für die Kinozukunft – Vorspann 07/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
Impossible Dortmund
Wilco im Dortmunder JunkYard – Musik 06/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
Hab’ ich recht?
Diskussion über Identität und Wissen im KWI Essen – Spezial 06/25
Kriegstüchtig und friedfertig
Diskussion über europäische Sicherheitspolitik in Dortmund – Spezial 06/25
Lebendige Musikgeschichte
Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller in Köln – Klassik am Rhein 06/25
Der Engel der Geschichte
„Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Gegen die Stille
Das 54. Moers-Festival – Musik 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25