In Veit Helmers Filmen („Tuvalu“, „Absurdistan“) spielten Worte immer schon eher eine untergeordnete Rolle. In seinem letzten Film „Vom Lokführer, der die Liebe suchte…“ verzichtete er gänzlich darauf. Genau wie jetzt wieder in „Gondola“, in dem er komplett dialoglos eine Liebesgeschichte zwischen zwei Seilbahn-Schaffnerinnen in den georgischen Bergen entspinnt, die sich alle halbe Stunde für wenige Sekunden auf halber Strecke begegnen und diese Zeit bald dazu nutzen, um sich gegenseitig zu beeindrucken. Kaum ein anderer Filmemacher versteht es dermaßen gut, visuell zu erzählen. Hinzu kommt, dass Helmer in dieser poetisch-romantischen Liebesgeschichte eine märchenhafte Welt kreiert, die geradezu überquillt vor kindlichem Einfallsreichtum, was den Film universell verständlich und liebenswert macht.
Geboren 1870 im italienischen Chiaravalle, wächst „Maria Montessori“ in eine patriarchalisch geprägte Welt hinein. Um die Jahrhundertwende wendet sich Montessori (Jasmine Trinca) zunehmend der Pädagogik zu. Bald ist sie Direktorin an einem Lehrerbildungsinstitut für Kinder mit Behinderung und studiert parallel Pädagogik, Experimentalpsychologie und Anthropologie. Die Arbeit mit Kindern prägt schließlich ihre revolutionäre Lehrmethode, das Lernpotenzial der Kinder durch genaue Beobachtung und mit Liebe und Zuwendung zu entfachen. Auch wenn Regisseurin Léa Todorov ihrer Hauptfigur nur über eine Phase ihres Lebens begleitet, gelingt es ihr, Montessoris beruflichen Werdegang, ihre private Zerrissenheit und pädagogisches Ausrichtung in aller Komplexität zu spiegeln. Das pädagogische Spiel mit (echten) behinderten Kindern im Klassenzimmer oder im Freien werden ebenso intensiv in Szenerien gebannt wie Montessoris wiederholte Ohnmacht gegenüber einer konservativen Männerwelt, die selbst der modern wirkende Partner und Vater ihres Sohnes, Giuseppe Montesano (Raffaele Esposito), tief verinnerlicht hat.
Zwei nackte Beine sind der Beginn des komödiantischen Road-Movies „Drive-Away Dolls“, in dem zwei Freundinnen aus ihrem Leben ausbrechen wie einst „Thelma & Louise“ (1991). Nur ging es damals noch nicht so stark zur Sache, schon gar nicht unter Frauen. Auch wenn Jamie (burschikos: Margaret Qualley) nichts von der braven Marian (Geraldine Viswanathan) will, kann sie doch auf Partys ihre lesbischen Triebe ausleben – bis ein Stahlkoffer im Kofferraum auftaucht und mit ihm zwei lästige Gangster. Wer beim Koffer an Geld oder Drogen denkt, der hat nicht mit dem irrwitzigen Drehbuch von Tricia Cooke gerechnet, die bei etlichen Coen-Filmen (u.a. „O Brother, Where Art Thou?“) für absurde Komik gesorgt hatte. Und auch wenn Ethan diesmal ohne seinen Bruder Joel gedreht hat, ist hier der ganze Coen-Spirit drin. Abgefahren.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Laetitia Colombanis Drei-Frauen-Geschichte „Der Zopf“, Claudia Richarz' Portrait „Helke Sander: Aufräumen“, Uli Gaulkes Dokumentation „Ihr Jahrhundert - Frauen erzählen ihre Geschichte“ und Sabine Howes Modelleisenbahn-Saga „Wunderland - Vom Kindheitstraum zum Welterfolg“.
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