
The Walk
USA 2015, Laufzeit: 123 Min., FSK 6
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley, Charlotte Le Bon
>> www.thewalk-film.de
Schwindelerregend
Matt513 (271), 09.04.2017
Mit The Walk hat Philippe Petits atemberaubende Leistung auch außerhalb des Dokumentarfilms ein Denkmal gesetzt bekommen. Wie von Zemeckis kaum anders zu erwarten, ist der Film handwerklich nahezu einwandfrei. Teile der Inszenierung dagegen fand ich zu klischeehaft, ja verkitscht. Zu sehr nach dem Schnittmuster: "Modernes Märchen für die ganze Familie". Sowas hat es schon zu oft gegeben; irgendwann stört es dann nur noch. Wenn Petit zylinderschwenkend auf dem Einrad durchs Pariser Quartier fährt, dann wirkt die Szenerie mit ihren Straßencafes und Sonnenschirmchen so, wie sich der typische Pauschaltourist Paris vermutlich vorstellt. Mir fehlte nur noch der Eiffelturm im Hintergrund sowie Joe Dassin mit Baguette unterm Arm, wie er die Champs Elysées besingt. Im Film war Petits Lehrmeister ein Zirkusartist. Trifft der junge Philippe ihn, dann wird romantisierend das visuelle Potential der Zirkuswelt abgespult. Beim Landeanflug auf New York haben Philippe und Freundin, wie könnte es anders sein, natürlich beste Aussicht auf die Türme. Abwechselnd begleitet sie fetziger 70er Bluesrock und groovende Jazzmusik, blitzblanke Straßenkreuzer säumen die Straßen. Wie für die Postkarte.
Für den Einsatz computergenerierter Bilder gibt es im Film eigentlich nur einen echten Anlaß: Nämlich, wenn Petit sich auf dem Seil befindet. Gordon-Levitt, der sich mit guter Darbietung und charmantem französischen Akzent in diesem plotgetriebenen Film nicht über Gebühr in den Vordergrund spielt, hatte für die Rolle zwar das Seiltanzen erlernt. Aber daß er dann, als das Seil zwischen den Twin Towers gespannt ist, nicht wirklich darauf geht, versteht sich in ja mehrerlei Hinsicht von selbst. Das ist das Prunkstück des Films. Diese Szenen sind so gelungen, daß selbst der Blick in künstliche Häuserschluchten noch für Schwindelgefühl bei mir sorgte :). Darüberhinaus schade, daß Zemeckis an Stellen, wo es die Handlung nicht voranbringt, Dinge im Computer entstehen, diese sodann für das 3D-Erlebnis in den Vordergrund schnappen läßt. In stilistischer Hinsicht beißen sich solche technischen Gimmicks mit dem übrigen Film, der ja eine Ansicht der Welt der frühen 70er Jahre bieten möchte. Auch ist er in sich zu bunt und zu makellos, was vermutlich auf ein Zuviel bei der digitalen Nachbearbeitung zurückzuführen ist.
Bei Interesse sei der preisgekrönte Man on Wire von 2008 empfohlen. Obschon Dokumentarfilm, fängt dieser mit rasantem Schnitt und dazu passendem Score nicht nur das subversive Unternehmen an sich, sondern en passant auch das anarchische Wesen Petits als Künstler angemessen ein. `Wirkt überdies originärer; stilistisch scheint Zemeckis davon inspiriert gewesen zu sein. Zylinder.. ähm, Chapeau, sage ich.

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