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Salami Aleikum

Salami Aleikum
D 2009, Laufzeit: 102 Min., FSK 0
Regie: Ali Samadi Ahadi
Darsteller: Navid Akhavan, Anna Böger, Michael Niavarani, Proschat Madani, Wolfgang Stumph, Caroline Schreiber, Stephan Grossmann

Großartige deutsche Multi-Kulti-Komödie

Himmel auf Erden
"Salami Alaikum"
von Ali Samadi Ahadi

Die deutsche Filmkomödie: Entweder sie ist zu leicht, dafür als Schenkelklopfer-Klamotte zumindest national erfolgreich. Oder sie kommt schwer und gestelzt daher, wenn sie sich zu intellektuell um Ironie bemüht. Anspruch und Unbeschwertheit - das findet im Komödiantischen auf deutschen Leinwänden nur selten zusammen. Anders als seine Nachbarländer, sei es das nordisch-trockene Dänemark oder das politisch unkorrekte, schwarzhumorige Österreich, gibt sich der Humor hierzulande vergleichsweise profillos und findet kaum den Weg über die Grenzen. Für frischen Wind, auch hier ist Österreich Vorreiter, sorgen neuerdings Dokumentarfilm-Regisseure, die sich hin und wieder im Fiktionalen austoben: So zeigte 2005 Michael Glawogger mit "Workingman's Death" noch furchtbar realistische Bilder von Arbeitsbedingungen in Dritte Welt-Ländern - und lässt drei Jahre später seinen gelungen berauschten Bilderreigen "Contact High" folgen. Der im Iran geborene und seit seinem zwölften Lebensjahr in Deutschland lebende Regisseur Ali Samadi Ahadi begab sich ebenfalls erst in die nonfiktionalen Abgründe, als er 2005 gemeinsam mit Oliver Stolz mit "Lost Children" unvorstellbare Schicksale afrikanischer Kindersoldaten dokumentierte. Jetzt rückt er an mit einer deutschen Komödie, die ihre 102 Minuten mit Tempo und Leichtigkeit füllt, ohne sich in Oberflächlichkeiten zu verlieren. Und das ist große Kunst angesichts der mannigfachen Klischees, derer sich Ahadi bedient.

Frischer Wind
Mohsen Taheri (Navid Akhavan) ist Deutsch-Iraner und ein Tunichtgut, der keiner Ziege was zuleide tun kann. Das ist insofern ungünstig, als dass er die Kölner Metzgerei seines Vaters übernehmen soll. Letzterer ist erfüllt von seinem Stolz auf 7.000 Jahre persische Hochkultur, schwadroniert von Tapferkeit, Stolz und Geld, während die Mutter darauf pocht, dass sich Mohsen endlich eine Frau suchen soll. Der junge Mann entzieht sich den elterlichen Forderungen durch Tagträume oder indem er am "Schal seines Lebens" strickt. Eines Tages steht die Metzgerei vor dem Aus, und Mohsen lässt sich auf einen Deal mit einem polnischen Geschäftsmann ein. Der schickt ihn nach Polen, um von dort Schafe zu reimportieren. Doch Mohsen strandet in Ostdeutschland, genauer: in Oberniederwalde, dereinst Hochburg der Textilindustrie, heute eine Ansiedlung von Wendeverlierern, die mit Gastfreundschaft nicht viel am Hut haben. Außer Ana (Anna Böger), eine ehemalige Kugelstoßerin, die jetzt eine Autowerkstatt führt. Zwischen der stämmigen Blondine und dem kleinen Metzger beginnt es schon bald zu funken. Ana ist allerdings Vegetarierin, und so bedarf es neben einer gehörigen Portion Kulturaustausch noch so mancher Lüge für die Liebe...

Dieser Liebesreigen im Kulturclash ist schlicht zauberhaft inszeniert: Temporeich und pointiert getimet schwebt das Spielfilmdebüt des Regisseurs zwischen Farce, Satire und romantischer Komödie, sprengt dabei mit kunterbunt animierten Traumsequenzen und Bollywoodanleihen die Genregrenzen, lässt seine Figuren in die Kamera sprechen, vermischt gewitzt die Ebenen und inszeniert ein abwechslungsreiches Fest für die Sinne, ohne dass Stringenz und Glaubwürdigkeit darunter leiden. Die Darsteller sind aufs Trefflichste ausgesucht und spielen sich gegenseitig an die Wand. Navid Akhavan und Anna Böger glänzen als mackenbesetztes, gegensätzliches Liebespaar, Wolfgang Stumph überzeugt als biederer Pleitegeier, und Michael Niavarani spielt Mohsens Vater so hektisch gestikulierend und unverbesserlich selbstüberschätzt wie einst Louis de Funès.

Sich der Klischees richtig bedienen
Stolze Macho-Perser und Ostdeutsche, die der Vergangenheit nachtrauern - auf den ersten Blick mag das nach einem recht einfachen Rezept klingen, dessen sich Ahadi bedient. Trotzdem ist es etwas anderes, wenn beispielsweise Mario Barth in "Männersache" Frau und Mann im Kino aufeinandertreffen lässt. Klischees heranzuziehen, das zeigt Ahadi, ist an sich nichts Schlimmes - es kommt bloß darauf an, wie man sich ihrer bedient. Dass seine Figuren nicht zu hohlen Lachnummern verkommen, liegt daran, dass Ahadi ihnen allesamt Seele einhaucht. Den Spaß umschwebt auch eine Melancholie, in der sich viele beim Lachen wiederfinden werden - nicht nur Iraner und Ostdeutsche. "Ich hab keinen Bock, in der Vergangenheit zu leben, so wie all die anderen hier", sagt Ana. Und das ist hier nicht zynisch, sondern heilsam zu verstehen. Mit orientalischer Weisheit wirft Ahadi den bunten Traum von einer schöneren Heimat auf die Leinwand, die man findet, indem man sie sich erschafft. Und das geht am besten zusammen: "Wir sind der Himmel, wenn wir zusammen halten", heißt es am Schluss. Und wenn wir zusammen lachen, haben wir vermutlich das Paradies auf Erden. Zumindest für 102 Minuten im Kino.

(Hartmut Ernst)

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