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Das Glücksrad

Das Glücksrad
Japan 2021, Laufzeit: 121 Min., FSK 12
Regie: Ryūsuke Hamaguchi
Darsteller: Kotone Furukawa, Ayumu Nakajima, Hyunri
>> www.filmkinotext.de/gluecksrad.html

Episodenfilm mit Reflexionen über Zufall und Vorstellungskraft

Was, wenn ...?
„Das Glücksrad“
von Ryūsuke Hamaguchi

Ein Argument gegen Episodenfilme: Man muss sich wiederholt auf ein komplett neues Szenario mit neuen Protagonist:innen innerhalb eines Films einlassen. Ok, anstrengend, aber machbar. Da der Film zwischen den Episoden aber nicht angehalten wird, hat man keine Zeit, die Eindrücke der vorangegangenen Episode nachklingen zu lassen. Schon bevölkern ganz andere Menschen in ganz anderen Situationen die Leinwand und lassen die vorherigen schnell verblassen. Das Gehirn sucht derweil immer wieder nach den Zusammenhängen zu dem zuvor Gesehenen, weil das Gehirn eben so funktioniert: es sucht Ähnlichkeiten, Vertrautheit, Zusammenhänge. Und das erschwert es, sich direkt voll und ganz auf die neuen Figuren einzulassen. Mitunter liefern die Episoden dann eben jene so sehnsüchtig erwarteten Zusammenhänge: Es taucht eine Figur aus einer früheren Episode wieder auf, wenn auch nur am Rande. Oder der Ort der Ereignisse, die Zeit oder ein anderes verbindendes Element hält die unterschiedlichen Geschichten zusammen. Bei „Das Glücksrad“, dem neuen Film von Ryūsuke Hamaguchi, ist es… nichts von alledem. Es gibt keine wie auch immer geartete Verbindung zwischen den Geschichten. Höchstens jene, die der Film selber im Untertitel behauptet: „Drei Kurzgeschichten über Zufall und Vorstellungskraft“.

Es gibt auch einen guten Grund für Episodenfilme: gute Episodenfilme! Der neueste gute Grund für das Genre ist daher „Das Glücksrad“ von Hamaguchi. Der Film besteht aus drei unterschiedlichen Geschichten: „Magie (oder etwas weniger Zuverlässiges)“ erzählt von Tsugami, die ihrer Freundin Meiko von ihrer neuen Liebe berichtet. Anhand der Beschreibung erahnt sie, dass es sich um ihren Ex-Freund Kazuaki handelt, den sie zwar verlassen, aber noch nicht vergessen hat. In „Die Tür bleibt offen“ drängt der Student Sasaki seine Freundin Nao, den Französischprofessor, der ihn durchfallen ließ, zu verführen und mit einem Audiobeweis seine Karriere zu ruinieren. Doch Nao schwärmt heimlich nicht nur für dessen Bücher, sondern auch für den Professor. In „Noch einmal“ reist Moka zum zwanzigjährigen Klassentreffen in der Hoffnung, ihre Jugendliebe Nana wiederzusehen. Sie ist nicht dort. Aber am Tag darauf trifft Moka sie zufällig auf der Straße. Der vage Zusammenhang zwischen den Episoden: Alle drei Geschichten kreisen um das Thema Zufall und was er anrichten kann – im Guten wie im Schlechten. Das fühlt sich zwischenzeitlich nicht nur nach Fantasy an, weil die dritte Episode in der Zukunft angesiedelt ist, sondern weil die Zufallsbegegnungen mitunter so absurd sind. Zugleich lassen diese freudvollen Verknüpfungen viel Spielraum für emotionale Verwirrung, für einen Rückblick voller Bedauern, aber auch für Hoffnung. Hamaguchi erzählt in seinen Filmen häufig von zufälligen Begegnungen zwischen Menschen, vom plötzlichen Verschwinden und überraschendem Auftauchen von Wegbegleiter:innen und schließlich von Verwechslungen.

Das ist eindringlich in seinem sechsstündigen Film „Happy Hour“ (2015) um vier Freundinnen zu sehen oder in dem Liebesdrama „Asako 1 & 2“ (2018). Im weiteren Sinn passt auch sein jüngster, viel gefeierter Film „Drive my Car“ (u.a. drei Preise in Cannes und ein Oscar) in diese Liste. Noch kurz vor selbem realisierte er „Das Glücksrad“, der auf der Berlinale 2021 den Silbernen Bär gewann und der nun, etwas verzögert durch den Erfolg von „Drive my Car“, doch noch in die hiesigen Kinos kommt. Allen Filmen ist gemein, dass die Dialoge deutlich im Vordergrund stehen. Damit orientieren sich die Filme unter anderem an Hamaguchis erklärten Vorbildern Eric Rohmer und John Cassavetes. Der Filmhistoriker Ulrich Gregor schrieb, dass Cassavetes die zwischenmenschlichen Regungen so fein auf die Leinwand bannt, weil bei ihm der Prozess des Filmens ein dokumentarisches Aufzeichnen von Fiktion im Moment ihrer Entstehung sei. Ähnlich funktioniert Hamaguchis Realismus, der die Darsteller und ihre Figuren sehr behutsam ins Zentrum des Geschehens rückt. Auf eine Art, dass man sich im Kino kaum noch traut, sich zu rühren, aus Angst, die Menschen auf der Leinwand bei ihrer Selbstfindung zu stören.

Berlinale 2021: Silberner Bär – Großer Preis der Jury

(Christian Meyer-Pröpstl)

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